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Version vom 27. August 2018, 12:46 Uhr

Übersicht
Signatur Cod.tibet. 1005
Maße 300 mm x 707 mm x 39 mm
Datierung 12./13. Jh.
Ort Tibet/Xizang
Objekttyp Buchdeckel, asiatisch
Katalogisierungsebene Gesamtaufnahme (item)
Klassifizierung Kategorie:Schnitzkunst
Kategorie Tibetischer Buchdeckel

Beschreibung: Bayerische Staatsbibliothek, Samyo Rode 2016


Dieser in Holz geschnitzte Buchdeckel besticht durch die ungewöhnliche Anordnung und Verbindung der verzierenden Elemente. Während dem weit überwiegenden Teil der beschriebenen tibetischen Buchdeckel ein symmetrischer Aufbau zugrunde liegt, in dem ein zentrales Mittelfeld mit ikonographischen Darstellungen von Perlstäben und floralen Randmustern (z.B. Rankenwerk oder Blätterfries) gleichmäßig zur Deckelkante hin abgegrenzt wird, sind die umlaufenden Randverzierungen im vorliegenden Fall nicht an allen Seiten identisch. Auffallend, jedoch gewiss nicht außerhalb der Norm liegend, ist auch das Seitenverhältnis von Breite zu Höhe des Deckels, das ihm ein etwas gedrungenes Aussehen verleiht.

Entstehung

Im 12./13. Jh. von einem unbekannten tibetischen Künstler geschaffen.

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Maße

Oberdeckel:

300 mm x 707 mm x 39 mm


Innenseite (Zierseite):

Mittelfeld:

256 mm x 591 mm


Mittelfeldstege:

45-60 mm breit


Rahmen:

10-19 mm breit


Material und Technik

Der Buchdeckel aus geschnitztem Holz war ursprünglich mit Blattgold vergoldet und mit roter Farbe bemalt.


Beschreibung des Äußeren

Außenseite:

Die Außenseite ist ungestaltet und von dunkler Farbe.


Innenseite (Zierseite):

Mittelfeld:

Im Mittelfeld findet sich eine größer dargestellte Zentralfigur auf einem Thron, dessen obere Begrenzung in den Rahmen ragt. Rechts und links der Zentralfigur finden sich je fünf weitere, kleinere Darstellungen sitzender Figuren. Oberhalb Figuren, durch einen Perlstab getrennt, sind kleinere gegenständliche Abbildungen erkennbar, das Bildfeld unterhalb der sitzenden Figuren zeigt weitere figürliche Darstellungen.


Mittelfeldsteg:

Das Mittelfeld wird zur Außenkante hin durch eine zwischen Stegen den Deckel komplett umlaufende Perlenreihe begrenzt.


Rahmen:

Auf die Perlenreihe folgt am unteren Rand ein Rankenmuster, an den äußeren Rändern hingegen einen schmalerer Zierrand aus insgesamt elf (links) bzw. zehn (rechts) Reliquienschreinen (Stupas). Der obere Rahmen besteht ebenfalls aus etwas größeren nebeneinander gereihten Reliquienschreinen, die nur durch den aus dem Mittelfeld hereinragenden Thron der Hauptfigur unterbrochen werden.


Ikonographie

Innenseite (Zierseite):

Mittelfeld:

Im Zentrum, alle anderen Gestalten in der Größe deutlich überragend, sitzt auf einem Löwenthron die vierarmige Göttin Prajñāpāramitā als Personifizierung der höchsten Tugend der Bodhisattvas im Streben nach Erlösung, der „Vollkommenheit der Weisheit“. Die rechte Hand des Hauptarmpaares ist in charakteristischer Weise in der Geste der Lehrverkündung erhoben, während die linke in Meditationshaltung im Schoß ruht. Die hintere rechte Hand hält einen Vajra, die linke ein Buch mit den Prajñāpāramitāsūtras. Im Thronaufbau des dreistufigen Throns findet sich eine Vielzahl von Lebewesen (bzw. Objekten): Im Sockel stehen zwischen den beiden Löwen als Thronträger zwei Atlanten in Form von Yakṣas; sodann im Bereich der Säulen jeweils zwei Elefanten, Vajras und gehörnte Löwen mit Reitern; schließlich im oberen Bereich des Thronbogens, unterhalb eines Baldachins, in der Mitte ein Vogelwesen flankiert von zwei Schlangenwesen mit menschlichem Oberkörper und Anbetungsgeste, darunter (auf dem waagerechten Querbalken des Throns hockend) zwei Seeungeheuer mit nach oben gerichteten Mäulern. Bei den jeweils fünf neben der Hauptfigur angeordneten Figuren handelt es sich wohl um mit dreispitzigen Kronen versehene Buddhas, die hier allerdings völlig ohne die jeweils zugehörigen Attribute oder Reittiere (Pferd, Elefant, Löwe etc.) dargestellt sind, und deren eindeutige Identifizierung allein auf Grundlage der Handstellungen nicht sicher ist. Die bekannte Gruppe der Fünf Tathāgatas ist hier weder auf der linken, noch auf der rechten Seite als Einheit dargestellt, sie würden sich aber aufgrund der Gestik innerhalb der zehn Nebenfiguren identifizieren lassen: 1. (ganz links) und 4. Amitābha mit Meditationsgeste, 3. Vairocana mit der Geste des Dharma-Rads, 5. Ratnasambhava mit der Geste der Gabengewährung, 7. Amoghasiddhi mit der Geste der Schutzgewährung, 8. Akṣobhya mit der Geste der Erdberührung. Die Identität der anderen Buddhas bleibt bisweilen unklar. Alle Buddhas sitzen in Vajrasitzhaltung auf jeweils einem Lotusthron vor doppelter Aureole und Nimbus.

Im Bildfeld unterhalb der sitzenden Figuren, zwischen insgesamt vier Säulen, die das Bildfeld oberhalb zu stützen scheinen, sind die „Sieben Kostbarkeiten eines Weltherrschers“ (saptaratna) abgebildet: 1. Rad, 2. Pferd, 3. Elefant, 4. Heerführer (mit Schwert und Schild), 5. Königin, 6. Minister, 7. Juwel. Zusätzlich wird an achter Stelle ein nicht genauer identifizierbares Objekt dargestellt. Im Bildfeld oberhalb der Nebenfiguren finden sich die „Acht Glückssymbole“ (aṣṭmaṅgala), die allerdings aus nicht der Reihe nach, sondern durchmischt mit fünf anderen Objekten dargestellt sind. Erstere finden sich an folgenden Positionen: 1. Schirm, 2. goldene Fische, 4. rechtsgedrehte Meeresschnecke, 6. Lotus, 8. Schatzvase, 9. endloser Knoten, 11. Siegesbanner, 13. Rad. Dazwischen zwei Vajras (5. und 12.), der letzte Buchstabe des tibetischen Alphabets A, der als Silbe eines Mantras aufzufassen ist (7.) sowie zweimal das Symbol der Drei Juwelen (3. und 10.). Letzteres befindet sich auch in der Mitte des flammenartigen Rankenmusters am unteren Rand des Buchdeckels. Es steht für die „Drei Kostbarkeiten“ des Buddhismus: Buddha, Lehre des Buddha (skt. dharma) und Saṃgha (Gemeinschaft der Praktizierenden).


Schmalseite 1:

Auf der Schmalseite 1 befindet sich zentral platziert ein Reliquienschrein. Rechts und links daneben ist Rankenwerk, das sich zu den äußeren Rändern hin windet.


Stil und Einordnung

Die Gestalt der Hauptgottheit und der zehn Buddhas mit ihren schlanken Taillen und langen Armen sowie die Darstellung des Thronaufbaus lassen indischen Einfluss oder indische Herkunft vermuten.

Sämtliche Figuren des vorliegenden Deckels zeigen einen maskenhaften Gesichtsausdruck, der fast schon etwas fremdartig wirkt.

Die Schnitzarbeit des Künstlers wirkt insgesamt ungelenk, was sich insbesondere in der unvollkommenen Parallelität der Perlenreihen, den sehr unterschiedlichen Größen der Aureolen der zehn Nebenfiguren sowie deren wenig planvolle Platzierung mit sehr unterschiedlichen Abständen (vgl. Figur 3 und 4 von links) zeigt. Auch die asymmetrische Anordnung der Reliquienschreine, von denen sich elf am linken Rand, jedoch nur zehn am rechten befinden, ist wohl auf einen Fehler zurückzuführen, da die symmetrische Anlage von Randmustern wesentlich üblicher ist.

In der Gesamtschau der vorliegenden Beobachtungen, insbesondere hinsichtlich der zentralen Figur, liegt die Vermutung nahe, dass der vorliegende Buchdeckel für die Prachthandschrift eines Werkes der kanonischen Prajñāpāramitā-Literatur hergestellt wurde.