Prachteinband zum Evangeliar - BSB Clm 9476#Einband

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Signatur Clm 9476#Einband
Maße 313–314 mm x 234–236 mm x 92–93 mm
Datierung 1496
Ort Mitteleuropa: Süddeutschland
Objekttyp Prachteinband
Katalogisierungsebene Gesamtaufnahme (item)
Klassifizierung Kategorie:Goldschmiedekunst
Kategorie Kategorie:Westliche_Prachteinbände

Beschreibung: Caroline Smout. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.


Dieser spätmittelalterliche bayerische Goldschmiedeeinband aus vergoldetem Silberblech ist durch eine Kreuzigungsdarstellung im Mittelfeld und durch reichhaltiges Filigranwerk in den Rahmen bestimmt, das symmetrisch angeordnete Schmucksteine und Emails umrankt. Als Spolie wurde eine römische Kamee aus dem 4. Jahrhundert verwendet.

Informationen zum Trägerband

Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 9476 : Evangeliar, Deutschland, Niederaltaich, um 1030–1040

Entstehung

Unbekannter Künstler, Goldschmied, 1496 (Datierung auf Rückdeckel). Mitteleuropa: Süddeutschland / Bayern. Die Erneuerung des Einbandes wurde nach der Inschrift des Rückdeckels (s.u.) vom Abt des Benediktinerklosters Niederaltaich, Johann III. Simmerl (1490–1502), in Auftrag gegeben.


Komponenten

Vorderdeckel:

1 Platte aus vergoldetem Silberblech

1 Rahmenplatte aus vergoldetem Silberblech

1 Rahmen aus Silberblech

12 Rahmenleisten aus vergoldetem Silber

1 Figurengruppe aus vergoldetem Silberblech

8 gravierte und emaillierte Medaillons aus Silberblech

81 Fassungen für Edelsteine, Perlen

50 Edelsteine und Schmucksteine

9 Perlen

Filigran aus vergoldetem Silber


Vorderkante:

Filigran aus vergoldetem Silber und 3 Fassungen mit Schmucksteinen


Rückdeckel:

1 gravierte Silberplatte


Vorderkante:

Filigran aus vergoldetem Silberblech und 5 Fassungen mit Schmucksteinen


Schließen:

2 Hakenverschlüsse


Spolien (separate Beschreibungen verlinkt):

1 antike Kamee (4. Jahrhundert)


Maße

Gesamt:

313–314 mm x 234–236 mm x 92–93 mm


Vorderdeckel:

313–314 mm x 234–236 mm


Mittelfeld:

177 mm x 111 mm


Mittelfeldbegrenzung:

148 mm x 220 mm x 21 mm


Rahmen:

313–314 mm x 234–236 mm x 37 mm


Rückdeckel:

313–316 mm x 235–236 mm


Mittelfeld:

216–217 mm x 137–140 mm


Rahmen:

301–303 mm x 223–225 mm x 42 mm


Rücken:

313–314 mm x 92–93 mm


Material und Technik

Vorderdeckel:

Vergoldete Silberplatten, gegossenes vergoldetes Silber, Email, Edelsteine, Schmucksteine, Perlen, 1 antike Kamee, gravierte und emaillierte Metallplättchen, Filigrandrähte.


Rückdeckel:

Gravierte Silberplatte


Rücken:

Grüne Seide.


Zu den Ergebnissen der materialwissenschaftlichen und kunsttechnologischen Untersuchungen durch das Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung (IBR)


Beschreibung des Äußeren

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Plastische Figuren, die auf eine vertiefte vergoldete Grundplatte montiert sind (Abb. 1). Die Nimben sind mit blauem und gelbem, der Boden mit grünem Email ausgearbeitet. Zwischen den Figuren Filigran und Edelsteine (Abb. 2).


Mittelfeldbegrenzung:

Schmaler Rahmen, dessen oberen und unteren Leisten an der Außenseite mit einem Spiralspuldraht, der alternierend glatt und gekerbt ist, verziert ist. Plastische Blattranken mit Edelsteinen auf Silbergrund werden von den Leisten eingefasst (Abb. 3). Drei Ecken sind mit Engelbüsten besetzt, die das Kopfstück der Edelsteinfassungen bilden (Abb. 4).


Rahmen:

Er ist gegliedert durch die alternierende Anordnung von acht gravierten und emaillierten Metallmedaillons und acht eingefassten Edelsteinen. Die Zwischenräume sind gefüllt mit plastischen Akanthusblattranken aus geschnittenen Metallstreifen, in deren Windungen Perlen und kleine Edelsteine einlassen sind (Abb. 5 und 6).


Goldschmuck / Filigran / etc.:

Im Rahmen ist das plastische Filigran aus Flachdraht, das die Zwischenräume füllt, zumeist volutenförmig gestaltet (Abb. 7).

Die feineren Fäden aus Runddraht in der Mittelfeldbegrenzung bilden ein flechtbandartiges vegetabiles Rankenwerk (Abb. 8).


Fassungen:

Die Zargenfassungen der großen Edelsteine und Medaillons sind unmittelbar auf dem Grund aufgenietet und an der Oberkante durch einen Spiralspuldraht, der alternierend glatt und gekerbt ist, verstärkt (Abb. 9 und 10).

Die mittleren Edelsteine im Mittelfeld und in der Mittelfeldbegrenzung werden durch eine Kastenfassung (eckige Steine) bzw. Zargenfassung (runde Steine) gehalten. Bei den Kastenfassungen sind am oberen Rand aus der Zarge herausgearbeitete einfache klammerartige Halter an den Ecken (Abb. 11). Bei den Zargenfassungen ist der obere Rand zahnbandartig gezackt (Abb. 12).

Die kleinen Edelsteine werden durch eine Zargenfassung mit einem engmaschigen zahnbandartigen Rand gehalten. Teilweise sind an der Unterkante 3–5-teilige Blütenblätter ausgeformt (Abb. 13).

Die Fassungen für die Perlen, die in die eingerollten Akanthusblattspitzen gelötet sind, bestehen aus einer flachen Schale mit vier spitz zulaufenden Krallen, die die Perlen halten (Abb. 14).


Anordnung der Steine, Perlen etc.:

Die Medaillons und Edelsteine sind im Rahmen alternierend angeordnet. In das Rankenwerk, das die Zwischenräume füllt, sind in der Regel kleine rote Edelsteine jeweils als vier Eckpunkte eingelassen (Abb. 15). Die Perlen, die von den Akanthusblättern gehalten werden, befinden sich links und rechts im Rahmen jeweils um das mittige Medaillon herum (Abb. 16 und 17).


Vorderkante:

Akanthusranke, die sich um einen Ast windet. In alternierender Anordnung folgt auf zwei Blätter eine Fassung mit einem Schmuckstein (Abb. 18).



Rückdeckel:

Mittelfeld:

Zwei Figuren, zwischen ihnen eine Inschrift.


Rahmen:

Vegetabiles Rankenwerk mit figürlichen Einlassungen.


Vorderkante:

Akanthusranke, die sich um einen Ast windet. In alternierender Anordnung folgt in der Mitte auf zwei Blätter eine Fassung mit einem Schmuckstein (s. Abb. 18), außen auf ein Blatt eine Schmucksteinfassung.


Rücken:

Abgeschabte grüne Seide mit Signaturschildchen: Cod. lat. 9476


Schließen:

2 Hakenverschlüsse mit Rinnen-Lager an der Vorderkante des Vorderdeckels als Ganzmetallschließen (Adler, Handbuch Buchverschluss (2010), BV.3.1.d)). Vergoldetes Silber mit Rankenwerk (s. Abb. 18).


Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen

Auf dem Rückdeckel: Abbt Johannis Simmerl hat disen plenart vernewen lossen 1496.


Überarbeitungsstadien

Vorderdeckel:

Der astförmige Stab mit einer Edelsteinfassung und Akanthusranke zwischen Maria und dem Querbalken des Kreuzes ist später eingefügt – er entspricht nicht dem Filigran, das die übrigen Figurenzwischenräume im Mittelfeld füllt. Er stammt von einer der beiden Vorderkanten der Deckel (vgl. Klemm, Die ottonischen und frühromanischen Handschriften (2004), Nr. 150).


Zustandsberichte

Vorderdeckel:

In der rechten Rahmenleiste fehlen eine oktogonale Edelsteinfassung und plastische Blattranken aus Flachdraht, an die Stelle der Blattranken, die ein silbernes Blütengebilde umspielen (vgl. die symmetrisch entsprechenden Stellen), ist ein oktogonal geschnittener Stein in Kastenfassung gesetzt. In der linken Rahmenleiste ist ebenfalls ein großer oktogonaler Edelstein durch einen kleineren mit andersartiger Fassung (sich verjüngend, mit umlaufendem Band aus einzelnen Blättern als Fuß) ersetzt, zudem fehlt ein silbernes Blütengebilde. In der unteren linken Ecke der Mittelfeldbegrenzung ist die zur Steinfassung gehörende Engelbüste verloren gegangen. Insgesamt sind sieben Fassungen für Perlen leer, 15 für Edelsteine.


Vorderkante:

Fehlstellen


Rückdeckel:


Vorderkante:

Fehlstellen


Schließen:

Fehlstellen an der unteren Schließe.


Ikonographie

Vorderdeckel:

Das Mittelfeld (Abb. 19) beherbergt eine Kreuzigungsgruppe mit Maria links und dem Evangelisten Johannes zur Rechten des gekreuzigten Christus. Am Fuß des Kreuzes befindet sich eine antike Kamee mit Medusenhaupt, darüber Adams Totenschädel aus Silber. Die vier gravierten und emaillierten Medaillons in den Ecken des Rahmens zeigen die vier lateinischen Kirchenväter (Augustinus von Hippo links oben (Abb. 20), Gregor den Großen rechts oben (Abb. 21), Hieronymus rechts unten (Abb. 22) und Ambrosius von Mailand) links unten (Abb. 23). In den vier mittig platzierten Medaillons sind die Evangelistensymbole (Löwe für Markus (oben) (Abb. 24), Stier für Lukas (rechts) (Abb. 25), Adler für Johannes (unten) (Abb. 26) und Mensch für Matthäus (links) (Abb. 27) dargestellt.


Rückdeckel:

Im Mittelfeld stehen in Ritterrüstung der Heilige Mauritius, der Patron des niederbayerischen Benediktinerklosters Niederaltaich, und ein nimbierter Bischof (womöglich der 1131 heiliggesprochene Godehard, vormals Abt von Niederaltaich) (Abb. 28). In der Inschrift zwischen den beiden Figuren wird Abt Johann III. Simmerl (1490–1502) als Auftraggeber des neuen Einbandes für das Messbuch genannt. Die Rahmung besteht aus einem vegetabilen Rankenwerk, das aus dem Mund eines Satyrkopfes in der unteren Leiste hervorkommt (Abb. 29) und zur Büste der gekrönten und betenden Maria in der oberen emporwächst (Abb. 30). Bevölkert ist das Rankenwerk von Vögeln, zwei affenartigen Wesen mit Lanzen (Abb. 31) und einer Jagdszene (Abb. 32).



Stil und Einordnung

Vorderdeckel:

Sowohl die Kreuzigungsgruppe als auch das Filigran lassen sich stilistisch ins ausgehende 15. Jahrhundert einordnen (vgl. Prachteinbände 870–1685 (2001), Nr. 17 (B. Hernad)). Die Datierung auf das Jahr 1496, die auf dem Rückdeckel angebracht ist, lässt sich somit auch auf den Vorderdeckel beziehen. In der Modellierung der Gewänder sind die Figuren der Reliquienstatuette Mariens mit dem Kind in der Pfarrkirche in Kößlarn von Balthasar Waltenberger aus dem Jahr 1488 (Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik (1982), 290, Nr. 751) vergleichbar. So finden sich in beiden Marienfiguren in gleicher Weise geformte Röhrenfalten des Untergewandes, die von der Schnürung unmittelbar unter der Brust ausgehen, während das Gewand des Johannes mit seinen weich modellierten Schüsselfalten und geschwungenen Stoffbahnen wiederum dem Mantel der Marienstatuette aus Kößlarn verwandt ist. Diesem Befund entspricht die Gleichartigkeit des Filigrans auf dem Rahmen des Einbandes und jenem unterhalb des Sockels von Waltenbergers Statuette. Indem Balthasar Waltenberger als Goldschmied in Passau tätig war, lässt sich die Arbeit des Goldschmiedeeinbandes aus Niederaltaich als lokale Arbeit einordnen. Fritz zufolge scheinen die Emailmedaillons „auf den Patenenstich des Meisters ‹E. S.› von 1466 (Lehrs 149) zurückzugehen.“ (Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik (1982), 290, Nr. 754).


Rückdeckel:

Eine bayerische Arbeit, die inschriftlich auf das Jahr 1496 datiert ist.


Rücken:

Grüne Seide, 15. Jahrhundert (Prachteinbände 870–1685 (2001), Nr. 17 (B. Hernad))


Provenienz

1803 aus Niederaltaich in die Münchner Hofbibliothek gelangt.


Literaturhinweise

Außen-Ansichten (2006), Nr. 10 (B. Hernad).

Bayern. Kunst und Kultur (1972), Nr. 244 (R. Suckale).

Fritz, Gestochene Bilder (1966), Nr. 497.

Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik (1982), Nr. 754.

Klemm, Die ottonischen und frühromanischen Handschriften (2004), Nr. 150.

Prachteinbände 870–1685 (2001), Nr. 17 (B. Hernad).


Empfohlene Zitierweise

Caroline Smout.Prachteinband zum Evangeliar - BSB Clm 9476#Einband. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.

URL: https://einbaende.digitale-sammlungen.de/Prachteinbaende/Clm_9476_Einband_Hauptaufnahme, aufgerufen am 29.03.2024