Messingeinband zum Evangelistar - BSB Clm 16002#Einband
Übersicht | |
Signatur | Clm 16002#Einband |
Maße | 344 mm x 255 mm x 55 mm |
Datierung | um 1430–1440 |
Ort | Mitteleuropa: Bayern, Passau |
Objekttyp | Messingeinband |
Katalogisierungsebene | Gesamtaufnahme (item) |
Klassifizierung | Kategorie:Goldschmiedekunst |
Kategorie | Kategorie:Westliche_Prachteinbände |
Kurzaufnahme zum Einband im BSB-Katalog mit weiterführenden Informationen |
Kurzaufnahme der Handschrift mit weiterführenden Informationen |
Forschungsdokumentation der BSB |
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Einbanddigitalisat |
Mikroskopaufnahmen |
Materialanalyse |
Beschreibung: Caroline Smout. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.
Bei diesem spätmittelalterlichen Messingeinband aus dem Augustinerchorherrenstift St. Nikola bei Passau handelt es sich um ein Pendant zum Einband von Clm 16003. Die aus getriebenem vergoldetem Messing modellierte Figur im Mittelfeld weist einen Kopf aus Bergkristall auf, der an die Verwendung antiker Spolien denken lässt.
Informationen zum Trägerband
Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 16002 : Evangelistar, Deutschland, Passau (wahrscheinlich St. Nikola), um 1170–1180
Entstehung
Unbekannter Künstler, Goldschmied, um 1430–1440. Mitteleuropa: Bayern, Passau.
Komponenten
Vorderdeckel:
4 Medaillons mit Malerei
17 Fassungen für Schmucksteine
17 Schmucksteine
Rückdeckel:
5 moderne Metallbeschläge
Maße
Gesamt:
344 mm x 255 mm x 55 mm
Vorderdeckel:
336 mm x 249 mm x 36 mm
Mittelfeld:
232 mm x 148 mm
Rahmen:
336 mm x 42 mm
Rückdeckel:
344 mm x 225 mm x 13 mm
Rücken:
344 mm x 45 mm
Material und Technik
Vorderdeckel:
Getriebenes vergoldetes Messing, Malereien unter Glas bzw. Bergkristall, Bergkristall, Schmucksteine, Email.
Rückdeckel:
Leder mit fünf Metallbeschlägen
Rücken:
Leder
Beschreibung des Äußeren
Vorderdeckel:
Mittelfeld:
Auf der abgesenkten Grundfläche Hochrelief einer Figur, deren Kopf aus Bergkristall gebildet ist (Abb. 1). Links und rechts davon zwei gotische Maßwerkfenster, deren Flächen ursprünglich vollständig mit grünem, rotem und blauem Email ausgefüllt waren (Abb. 2).
Rahmen:
Der hohe Profilrahmen weist eine Hohlkehle auf, in die als Schmuckelemente eingefasste Steine eingefügt sind; je fünf an den Längsleisten und drei an der oberen und unteren Querleiste. In den vier Ecken über die Hohlkehle hinausragende Medaillons.
Goldschmuck/Filigran/etc.:
Gotisches Maßwerk in den Fenstern mit Fischblase und Dreipass; Krone auf dem Kopf der Figur in Gestalt von vegetabilem Rankenwerk geformt (Abb. 3).
Fassungen:
Die Zargenfassungen der eckigen, ovalen wie runden Steine sind unmittelbar auf dem Grund aufgenietet. Sie haben eine bauchige Form und sind an den Oberkanten abgeschrägt. Jeweils vier einfache klammerartige Halter, die aus der Zarge herausgearbeitet sind (Abb. 4).
Die Zargenfassungen der Medaillons sind ebenfalls unmittelbar auf dem Grund aufgenietet. Die Oberkante ist zahnbandartig gezackt, darunter verläuft ein flachgeschmiedeter Kerbdraht (Abb. 5).
Anordnung der Steine, Perlen, etc.:
Zentriert jeweils große runde und ovale weiße Steine, in der oberen und unteren Leiste flankiert von grünen Steinen; in den Längsleisten alternieren daneben rote und grüne bzw. blaue Steine.
Rückdeckel:
4 dreieckige Eckbeschläge mit Rahmenleiste und (Lorbeer-)Zweigfries, im Mittelfeld einzelner (Lorbeer-)Zweig (Abb. 6). Rautenförmiger Mittelbeschlag ebenfalls mit Rahmenleiste und (Lorbeer-)Zweigfries, im Mittelfeld Inschrift (Abb. 7).
Schließen:
2 Hakenverschlüsse mit dem Lager auf dem Buchdeckelrand als Riemenschließe (Adler, Handbuch Buchverschluss (2010), BV.3.1.1.). Auf den Metallhaken Blattwerk vor gerastertem Grund als ornamentale Form (Abb. 8).
Überarbeitungsstadien
Vorderdeckel:
Die gemalten Evangelistensymbole (im Uhrzeigersinn Adler für Johannes, Stier für Lukas, Mensch für Matthäus, Löwe für Markus) in den Eckmedaillons sind aus späterer Zeit, womöglich aus der Zeit der Restaurierung der Holzdeckel 1789. Vermutlich waren ursprünglich gravierte Metallplättchen mit den Evangelistensymbolen in die Medaillons eingelassen, so wie in dem Pendant-Einband von Clm 16003.
Rückdeckel:
Vermutlich komplett erneuert 1789. Mittelbeschlag mit Inschrift und vier Eckbeschläge zur gleichen Zeit ergänzt.
Zustandsberichte
Vorderdeckel:
Das Email in den beiden gotischen Maßwerkfenstern ist an einigen Stellen abgesprungen.
Rückdeckel:
Laut Inschrift auf dem Mittelbeschlag wurden die vom Wurmfraß befallenen Holzdeckel 1798 restauriert und der Messingdeckel auf den Ledereinband montiert (A Corrosione Vermium Vindicatum et Integritati Restitutum Anno 1798).
Ikonographie
Vorderdeckel:
Im vertieften Mittelfeld thront Christus in frontaler Ansicht als Weltenrichter in einer Kirchenarchitektur (Abb. 9). Während er in seiner Linken die Weltkugel hält, hat er seine Rechte zum Segensgestus erhoben. Auf seinem Haupt trägt er eine Krone, hinterfangen wird es von einem Kreuznimbus. Die vier Eckmedaillons auf dem Profilrahmen zeigen gemalte Evangelistensymbole: den Stier für Lukas links oben (Abb. 10), den Menschen für Matthäus rechts oben (Abb. 11), den Adler für Johannes rechts unten (Abb. 12) und den Löwen für Markus links unten (Abb. 13).
Stil und Einordnung
Vorderdeckel:
Stilistisch lässt sich die Figur aufgrund der ruhigen und weichen Gewandbehandlung sowie einer Stille in der Körpersprache spätgotischen Skulpturen aus Passau aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert zuordnen (vgl. zur Lokalisierung nach Passau Außen-Ansichten (2006), Nr. 8 (B. Hernad)). So findet sich beispielsweise das außen in breiten, leicht schräg verlaufenden Bahnen herabfallende Gewand, das innen weich geschwungene Säume ausbildet, beispielsweise in der Anna Selbdritt aus Vornbach am Inn (1. Drittel 15. Jh.) (vgl. Kobler, Aspekte spätgotischer Skulptur (1993), 69; ferner Brunner, Plastik (1999), 502f.). Die Gestaltung des Kopfes des thronenden Christus aus Bergkristall lässt an die Verwendung antiker Spolien denken; exemplarisch sei auf das sogenannte Herimannkreuz (Köln, Kolumba-Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Inv. Nr. H II) aus dem frühen 11. Jahrhundert verwiesen: ein antiker Kopf aus Lapislazuli (wohl 4/5 n. Chr.) bildet das Haupt des Gekreuzigten. Susanne Wittekind zufolge lassen die Bergkristallköpfte auf den beiden Pendant-Einbänden „mithin durch einen spezifischen Materialeinsatz an die Lebenszeit Altmanns zurückdenken“ (Wittekind, Neue Einbände für alte Handschriften (2017), 187). Dass das Andenken an den Klostergründer Altmann zu dieser Zeit gepflegt wurde, unterstreicht eine um 1450 in St. Nikola entstandene, mit 10 Federzeichnungen versehene Handschrift seiner Vita (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 16112, fol. 1–14). Wie im Fall von Clm 2938 und Clm 2939 dienen die Pendant-Einbände der Erinnerung an die Gründungszeit des Klosters.
Rückdeckel:
Beschläge von 1789.
Provenienz
Insofern die Entstehung des Trägerbandes im Augustinerchorherrenstift St. Nikola bei Passau wahrscheinlich ist (Klemm, Die romanischen Handschriften, Bd. I, 1 (1980), Nr. 206) und sich die Handschrift auch im 18. Jahrhundert dort befand (Kupferstich-Exlibris von Propst Franz Conrad (1795–1803) im vorderen Spiegel), kann von einer Entstehung des Einbandes im Passauer Umfeld ausgegangen werden. 1803 gelangte die Handschrift aus St. Nikola in die Münchner Hofbibliothek.
Literaturhinweise
Außen-Ansichten (2006), Nr. 8 (B. Hernad).
Brunner, Plastik (1999), 502f.
Fritz, Goldschmiedekunst der Gotik (1982), Nr. 585.
Klemm, Die romanischen Handschriften, Bd. I, 1 (1980), Nr. 206.
Kobler, Aspekte spätgotischer Skulptur (1993), 69.
Prachteinbände 870–1685 (2001), Nr. 14 (B. Hernad).
Wittekind, Neue Einbände für alte Handschriften (2017), 176–200.
Empfohlene Zitierweise
Caroline Smout. Messingeinband zum Evangelistar - BSB Clm 16002#Einband. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.
URL: https://einbaende.digitale-sammlungen.de/Prachteinbaende/Clm_16002_Einband_Hauptaufnahme, aufgerufen am 13.10.2024