Tibetischer Buchdeckel (Unterdeckel) - BSB Cod.tibet. 1008(2
Übersicht | |
Signatur | Cod.tibet. 1008(2 |
Maße | 114 mm x 473 mm x 18 mm |
Datierung | 19. Jh. |
Ort | unbekannt |
Objekttyp | Buchdeckel, asiatisch |
Katalogisierungsebene | Gesamtaufnahme (item) |
Klassifizierung | Kategorie:Schnitzkunst |
Kategorie | Kategorie:Tibetische_Buchdeckel |
Kurzaufnahme zum Buchdeckel im BSB-Katalog mit weiterführenden Informationen |
Forschungsdokumentation der BSB |
Einbanddigitalisat |
Materialanalyse |
Beschreibung: Bayerische Staatsbibliothek, Samyo Rode 2016
Das schlicht geschnitzte Deckelpaar (vgl. Cod.tibet. 1008(1) besticht durch seine außergewöhnliche Darstellung der bekannten Übertragungslinie der tibetischen Kagyü-Schule, die ihren Ursprung in Indien hat.
Zugehöriger Oberdeckel/Unterdeckel
zugehöriger Oberdeckel Cod.tibet. 1008(1.
Entstehung
Unbekannter Künstler, 19. Jh.
Maße
114 mm x 473 mm x 18 mm.
Material und Technik
Holz geschnitzt, Innenseite bemalt.
Beschreibung des Äußeren
Innenseite (Zierseite):
Zu sehen sind drei Gestalten auf je einem Thron in zentralsymmetrischer Anordnung, wobei die mittlere größer gemalt ist als die anderen. Alle Abbildungen sind mehrfarbig mit feinen Pinselstrichen gemalt; der Hintergrund ist grün gefasst. Zu den Schmal- und Längsseiten hin, ist die Farbe teilweise stark abgerieben. In der linken unteren Ecke befinden sich die Überreste eines Siegels.
Zwischen die Figuren wurden nachträglich mit schwarzem Stift tibetische Silben in dBu can-Schrift geschrieben, die aber keinen direkten Bezug zum gemalten Inhalt haben.
Schmalseite 1:
Die vordere Schmalseite ist weder mit Schnitzerei noch mit Malerei verziert. Das Profil ist rechteckig mit leicht nach unten gewölbter Längsseite, Ecken und Kanten sind durch Abrieb abgerundet.
Schmalseite 2:
Auch die hintere Schmalseite ist schlicht und unverziert. Das Profil ist rechteckig mit leicht nach unten gewölbter Längsseite, Ecken und Kanten sind durch Abrieb abgerundet.
Ausrichtung im Raum und Arrangement
Die physische Beschaffenheit des Buchdeckels lässt keinen Schluss zu, ob ein Ober- oder ein Unterdeckel vorliegt. Aufgrund der abgebildeten Persönlichkeiten auf den Innenseiten des zusammengehörigen Deckelpaares, kann aber eine Lehrer-Schüler-Abfolge bestimmt werden, die auf dem vorliegenden Deckel endet; es handelt sich demnach um den Unterdeckel.
Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen
Unter den abgebildeten Persönlichkeiten sind Reste von Inschriften in tibetischer dBu can-Schrift erkennbar.
Zustandsberichte
Die Oberfläche des Deckels ist vor allem an der Außenseite, sowie an den Schmal- und Längsseiten mit einer dicken Rußschicht überzogen, sodass die Holzstruktur fast nicht zu erkennen ist.
Ikonographie
Innenseite (Zierseite):
Im Zentrum ist Marpa abgebildet (1002/12-1097/1100), der große Übersetzer und Ordensgründer der Kagyü-Schule (tib. bkaʼ rgyud), der auf einem fünfblättrigen Lotusthron vor doppelter roter, von Gold umrahmter Mandorla sitzt. Er hat einen grünen Nimbus mit dunkelblauem Rand und eine dunkelblaue Aureole; von Kopf und Körper gehen feine goldene Lichtstrahlen aus. Marpa ist in kostbare Gewänder von grüner und roter Farbe gekleidet, ein dunkelrotes Obergewand mit Blumenmuster bedeckt seine Beine vollständig. Er trägt große goldene Ohrringe und einen feinen schwarzen Schnauzbart sowie schwarzes Haar. Seine Hände zeigen die Geste des Dharma-Rads als Zeichen der Lehrverkündung.
Links sitzt Marpas Schüler, der berühmte Yogin und Dichter Milarepa (1052-1135?) in lockerer Haltung mit halbgekreuzten Beinen auf einem Lotusthron vor doppelter roter Mandorla. Sein Nimbus ist schwarz, seine Aureole ist grün mit schwarzem Rand; Kopf und Körper sind jeweils von einem Strahlenkranz umgeben. Die rechte Hand hält er an sein rechtes Ohr, um der Stimme des Dharma, der buddhistischen Lehre, zu lauschen. Der linke Arm ist unter dem typischen weißen Baumwollgewand eines Yogin versteckt. Über seiner rechten nackten Schulter hängt eine breites Meditationsband; er trägt goldene Ohrringe und das Haar nach oben zu einem Knoten gebunden.
Die Person rechts neben Marpa ist nicht eindeutig zu identifizieren, da die Bildunterschrift durch Abrieb der Farbe unleserlich ist. Ikonografie (vgl. hierzu Essen/Thingo, Die Götter des Himalaya (1989), Bd. 2, S. 58 und Bd. 2, S. 110) und Position innerhalb der Übertragungslinie lassen vermuten, dass es sich wohl um Gampopa (1079-1153) handelt. Er war ein enger Schüler Milarepas und begründete den Orden der Dakpo-Kagyü-Schule (tib. dwags po bkaʼ rgyud). Er sitzt in Vajrasitzhaltung auf einem Lotusthron, ist in eine rote Mönchsrobe gekleidet, die mit goldenen Mustern verziert ist, und trägt einen roten Meditationshut mit offener Blüte; er ist außerdem mit den Merkmalen eines Buddha, dem Stirnmal und langen Ohrläppchen versehen. Seine rechte Hand zeigt die Geste der Lehrverkündung, seine linke Hand ruht mit der Geste der Meditation in seinem Schoß. Nimbus und Aureole sind wie bei Milarepa schwarz und grün gemalt.
Stil und Einordnung
nepalesisch bzw. tibetisch, bKaʼ rgyud-Schule.
Literaturhinweise
Essen/Thingo, Die Götter des Himalaya (1989).