Elfenbeintafel (Spolie) - BSB Clm 4452#Einband, Vorderdeckel
Übersicht | |
Signatur | Clm 4452#Einband |
Maße | 280 mm x 128 mm x 10 mm |
Datierung | 2. Hälfte des 9. Jh. |
Ort | Frankreich: Compiègne, Corbie, Saint-Denis oder Reims |
Objekttyp | Elfenbeinschnitzerei |
Katalogisierungsebene | Component |
Klassifizierung | Kategorie:Schnitzkunst |
Kategorie | Westliche Prachteinbände |
Kurzaufnahme zum Einband im BSB-Katalog mit weiterführenden Informationen |
Kurzaufnahme der Handschrift mit weiterführenden Informationen |
Link zur Forschungsdokumentation der BSB |
Handschriftendigitalisat |
Einbanddigitalisat |
Beschreibung: Bayerische Staatsbibliothek, Karl-Georg Pfändtner, 2016
Die karolingische Elfenbeintafel gilt als Hauptwerk der sog. Liuthard-Gruppe und wurde als Spolie zur Dekoration des Vorderdeckels von Clm 4452#Einband verwendet.
Informationen zum Trägerband
Überliefert mit dem Prachteinband der Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4452: Evangelistar, Perikopenbuch Heinrichs II., Deutschland, Reichenau, ca. 1007–1012.
Entstehung
In der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts (um 870?) im Auftrag Karls des Kahlen in Frankreich (Compiègne, Corbie, Saint-Denis oder Reims) von einem unbekannten Künstler gefertigt.
Maße
280 mm x 128 mm x ca. 10 mm
Relieftiefe bis zu 8 mm
Material und Technik
Aus Elfenbein geschnitztes Flachrelief
Beschreibung des Äußeren
Rahmen:
Umlaufender Rahmen mit vegetabiler Ornamentik (Akanthuslaub).
Mittelfeld:
Das hochrechteckige Mittelfeld ist unterteilt in drei vertikal gegliederte Felder mit zahlreichen figürlichen Darstellungen, z.T. vor architektonischem Hintergrund.
Ausrichtung im Raum und Arrangement
In der Mitte des Vorderdeckels des Goldschmiedeeinbands zu Clm 4452#Einband eingelassen.
Ikonographie
Rahmen:
Die Tafel wird von einem reichen Fries aus krautigem Akanthus gerahmt.
Mittelfeld:
Die zentrale Elfenbeintafel zeigt in drei Ebenen die Kreuzigung Christi mit Maria und den Frauen und Johannes sowie Stephaton und Longinus, die Frauen am Grabe und die sich öffnenden Gräber (nach Mt 27,52). Über der Kreuzigung drei Engel, ganz oben die Hand Gottes aus Wolken, gerahmt von zwei Rundmedaillons mit den Darstellungen von Sol und Luna jeweils auf von Pferden bzw. von Ochsen gezogenen Wagen. Links der Kreuzigung die trauernden Frauen, Stephaton mit dem Essigschwamm, Ecclesia mit Fahne, mit Kreuz das Blut Christi auffangend. Rechts Longinus, mit seiner Lanze das Herz Jesu öffnend, hinter ihm wohl Johannes, rechts schwer zu deutende Szene der Ecclesia, die laut Steenbock (Steenbock, Der kirchliche Prachteinband (1965), 131) der vor einem Gebäude thronenden Personifikation Jerusalems (die Figur trägt auf dem Haupt eine Mauerkrone) einen runden Gegenstand (den orbis terrarum?) abnimmt. Unter dem Kreuz eine Schlange. In der zweiten Ebene der Engel und die drei Frauen vor der Architektur des hl. Grabes, dessen Eingang geöffnet Einblick auf das Innere gewährt, wo man den geöffneten Sarkophag und die Leinenrolle sieht. Auf der untersten Ebene, über den Darstellungen (beide mit Füllhorn) des lagernden Oceanus (mit Quellurne im Arm und Krebsscheren am Haupt) und der Terra (mit einer Schlange an der Brust) über einer großen nach oben blickenden sitzenden Figur (nach Exner, Kunstdenkmäler (2015), wohl Prophet Hosea) aus geöffneten Gräbern entsteigende Tote.
Stil und Einordnung
Die Elfenbeinplatte stammt aus der Zeit Karls des Kahlen und ist Hauptwerk der sog. Liuthard-Gruppe (benannt nach einem der Schreiber des Codex Aureus von St. Emmeram in Regensburg, heute München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14000, Einbandbeschreibung). Aus dieser Werkstatt stammen auch die sehr ähnlich gestalteten Elfenbeine des Psalters Karls des Kahlen in der Paris, BnF, Ms. Latin 1152. Sie sind im Stil den Miniaturen des sog. Utrecht-Psalters (Universiteitsbibliotheek Utrecht, Hs. 32.) verwandt. Ikonographisch lässt sich die Elfenbeintafel des Perikopenbuchs mit Reliefs aus der Jüngeren Metzer Schule vergleichen, etwa den Einbänden zweier Evangeliare in Paris (Paris, BnF, Ms. Latin 9383 und Latin 9453). Es wurde immer wieder ohne nachhaltige Gründe angenommen, die Tafel stamme aus dem Rückdeckel des Codex Aureus von St. Emmeram.
Literaturhinweise
Steenbock, Der kirchliche Prachteinband (1965).