Paxtafel (Spolie) - BSB Clm 8201#Einband, Vorderdeckel

Aus Prachteinbände
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Signatur Clm 8201#Einband
Maße 204 mm x 123 mm x 20 mm
Datierung um 1340
Ort Regensburg
Objekttyp Metallarbeit
Katalogisierungsebene Spolie (component)
Klassifizierung Kategorie:Goldschmiedekunst
Kategorie Westliche Prachteinbände

Beschreibung: Caroline Smout. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.


Paxtafel, als Spolie verwendet zur Dekoration des Vorderdeckels von Clm 8201#Einband.

Informationen zum Trägerband

Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 8201 : Geistliches Kompendium, Deutschland, Metten (?), um 1414/1415


Entstehung

Regensburg, um 1340. Im Auftrag des Mettener Abtes Albert II. (1322–1348)


Maße

Mittelfeld:

204 mm x 123 mm x 20 mm (maximale Höhe der Figur 24 mm)


Mittelfeldbegrenzung:

300 mm x 221 mm x 48–50 mm

Quadratische Platten: 40 mm x 40 mm

Oblonge Platten: 78 mm x 40 mm


Material und Technik

Mittelfeld:

Die gestanzten und vergoldeten Platten aus Silberblech sowie die Rahmenleisten aus vergoldetem Silberblech sind mit mehreren Nägeln auf dem Holzdeckel befestigt. Die Figur des Mittelfeldes, die vor den Platten aufgebracht ist, besteht aus getriebenem und graviertem vergoldetem Silber. Aus transluzidem blauem Email sind der Bogen, auf dem die Figur sitzt, der Nimbus sowie die Buchstaben Alpha und Omega. Rubine auf dem Kreuznimbus.


Mittelfeldbegrenzung:

Die 16 vergoldeten Silberplättchen sind jeweils in den Ecken mit Nägeln befestigt, die hochrechteckigen Platten weisen jeweils vier weitere Nägel auf, die in vielen Fällen durch die darüber gelegten Fassungen verdeckt werden. Auch die Rahmenleisten aus vergoldetem Silberblech sind mit mehreren Nägeln angebracht. Bei den Eckmedaillons handelt es sich um Treibarbeiten aus vergoldetem Silber. Die Plättchen, die die Eckmedaillons umgeben, sind mit transluziden blauen und – geringfügig – grünen Silberemails gearbeitet, bei den Figuren darin sind die Gesichtszüge, Abgrenzungslinien und Gewandfalten eingraviert und mit Niello gefüllt. Hans Jörg Heuser (Oberrheinische Goldschmiedekunst im Hochmittelalter (1974), 96f.), spricht bei dieser Art des transluziden Silberemails von „partielle[m] Reliefschmelz“. In den Zwickeln der Plättchen mit den Reliquienkapseln Rubine.


Beschreibung des Äußeren

Mittelfeld:

Vor dem Hintergrund von gestanzten Silberplatten mit Rauten und fünfblättrigen Blüten erhebt sich nahezu über die gesamte Höhe des Mittelfeldes eine Figur in frontaler Ansicht (Abb. 1).



Mittelfeldbegrenzung:

Die Mittelfeldbegrenzung ist durch eine symmetrische Anordnung der 16 Silberblechplättchen, die in ihrer Ausformung vier verschiedene Typen aufweisen, gekennzeichnet: Zwischen den Eckmedaillons aus getriebenem vergoldetem Silberblech befinden sich jeweils zwei transluzide blaue Silberemails mit Figuren in Vierpässen, die wiederum die Reliquienkapseln mit Glas- oder Hornscheiben flankieren (Abb. 2). In den Reliquienkapseln sind auf einem runden Pergamentrahmen, der entweder einen Drei- oder Vierpass umfängt, jeweils die Namen der Heiligen geschrieben, deren Reliquien in der Kapsel aufgehoben wurden (zu den Inschriften siehe unten unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“). An den Längsseiten sind anstelle von den quadratischen Plättchen mit Silberemails in Vierpässen hochrechteckige Platten mit Emails gesetzt, deren Rahmenform aus einer Kombination von zwei Vierpässen und einer Raute dazwischen gebildet ist (Abb. 3).



Fassungen:


Mittelfeldbegrenzung:

Die Zargenfassungen der eckigen und ovalen Steine haben eine abgeknickte Fassungskante und Fußleiste und sind unmittelbar auf dem Plattengrund aufgenietet (Abb. 4). Die runden Zargenfassungen der kleinen Rubine haben am Fuß eine breite Krempe (Abb. 5). Ebenfalls durch Zargenfassungen werden die Reliquienkapseln gehalten, mit einem Zahnband an der Oberkante (Abb. 5).



Anordnung der Steine, Perlen, etc.:

In den Zwickeln sämtlicher Plättchen der Mittelfeldbegrenzung sind bzw. waren Edelsteine angebracht. Aus dem erhaltenen Steinbestand lässt sich schließen, dass in diagonaler Anordnung dieselbe Steinart angebracht war.


Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen

Mittelfeld:

Solus ego duo sum, quorum tamen est michi neutrum / sum quod eram nec eram quod sum modo dicor utrumque / Fac nos ipsum te Jesu sine fine videre („Ich allein bin zwei, dennoch ein neutrales Drittes. Ich bin was ich war und war nicht, was ich bin und werde beides genannt. Mach Jesus, dass wir dich ohne Ende sehen können“; nach Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 56).


Mittelfeldbegrenzung:

In den vier Eckmedaillons mit den Evangelisten folgende Tituli auf Schriftbändern: Links oben Matheus, rechts oben Iohanes, links unten Lucas, rechts unten Marcus.

In der oberen und unteren Rahmenleiste in den vier emaillierten Vierpässen folgende Tituli: Oben links der Heilige Martin mit S. Martinus, oben rechts der Heilige Benedikt mit S. Benedictus, unten links der Heilige Utto mit S. Uttus, unten rechts der Heilige Gamelbrecht mit S. Gamelbreht.

Im oberen Email der linken Rahmenleiste Erzengel Gabriel mit einem Spruchband, das die Aufschrift Ave gratia [plena] trägt. Auf dem Spruchband, das auf dem gegenüberliegenden rechten Email dem knienden Mönch beigeordnet ist, steht geschrieben: Albertus abas. Bezeichnet ist damit Abt Albert II. von Metten (1322–1348) (siehe dazu Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 57–59). In den beiden unteren Emails der seitlichen Rahmenleisten folgende Tituli: Links Erzengel Michael mit dem Titulus Michelii auf dem Nimbus, der sein Haupt umfängt; recht Karl der Große mit dem Titulus Karelus [sic] rex, ebenfalls auf dem Nimbus fixiert.

Auf den Hornscheiben, die jeweils in der Mitte der Rahmenleisten unter Glas angebracht sind, finden sich folgende Inschriften: Oben: Martyrum Emmerami, Stephani prothomartiris, Agapiti, Ypoliti, […] (Abb. 6). Rechts: Doctorum Augustini, Gregorii, Ambrosii, Jeronimi (Abb. 7). Unten: Wolfgangi, Erhardi, […] Inp(?)us (?) (Abb. 8). Links: Sotherii pape et martiris, Felicis pape, Ormisde pape, Felicis martiris […] pape (Abb. 9) (zit. nach Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 58).



Zustandsberichte

Mittelfeld:

Die Figur im Mittelfeld zeigt an einigen Stellen Abreibungen. Im Kreuznimbus Email abgesplittert, ebenso im rechts davon stehenden Omega sowie auf dem Bogen, auf dem die Figur thront.


Mittelfeldbegrenzung:

31 Fassungen fehlen, in den vorhandenen Fassungen fehlen 10 Schmucksteine. In den Silberemails der linken wie rechten Längsseite ist das Email partiell abgesplittert. Unter den Gläsern der vier Reliquienkapseln hat sich viel Staub angesammelt, so dass die Inschriften nicht in Gänze zu lesen sind.


Ikonographie

Mittelfeld:

Im vertieften Mittelfeld thront Christus in der Maiestas Domini auf dem Regenbogen (Abb. 10). Während er in seiner Linken das Buch hält, hat er seine Rechte zum Segensgestus erhoben. Links und rechts vom Kreuznimbus erscheinen die beiden Buchstaben Alpha und Omega (Apc 1,8).



Mittelfeldbegrenzung:

In den Ecken Medaillons mit den vier Evangelisten, die sämtlich in Posen des Schreibens und Nachdenkens dargestellt sind und sowohl durch ihre Evangelistensymbole als auch durch Tituli (siehe dazu oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“) auf Schriftbändern gekennzeichnet sind: links oben Matthäus mit Mensch (Abb. 11), rechts oben Johannes mit Adler (Abb. 12), links unten Lukas mit Stier (Abb. 13), rechts unten Markus mit Löwe (Abb. 14).



Die dargestellten Patrone des Ordens und des Klosters sowie die Märtyrer und Bekenner (siehe zu diesen oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“) rahmen die erste Parusie Christi, die in der Maiestas Domini des Mittelfeldes bezeichnet ist:

Im oberen und unteren Rahmen sind in den vier emaillierten Vierpässen Heilige als Kniestücke dargestellt, die sich einander zuwenden: Oben links der Heilige Martin (Titulus auf dem Nimbus, siehe dazu oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“) (Abb. 15), Benediktiner und Erzbischof von Tours, Reichspatron unter den Karolingern, mit Mitra und Krummstab sowie aufgeschlagenem Buch in der Rechten. Oben rechts der Heilige Benedikt (Titulus auf dem Nimbus, siehe dazu oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“) (Abb. 16), der Ordensgründer. Während er in seiner rechten Hand ein geschlossenes Buch hält, hat er seine Linke mit lehrendem Gestus erhoben; in die Ellenbeuge des linken Armes ist der Krummstab geklemmt. Unten links der Heilige Utto (Titulus auf dem Nimbus, siehe dazu oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“) (Abb. 17), der Gründungsabt des Klosters, mit Krummstab in der linken Hand und zum Segensgestus erhobener Rechten. Unten rechts schließlich der Heilige Gamelbrecht (Titulus auf dem Nimbus, siehe dazu oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“) (Abb. 18), der Stifter des Klosters, mit geschlossenem Buch in seiner Rechten.



An den Längsseiten sind die beiden oberen und unteren Emails jeweils als Paar zu lesen: Oben ist die Verkündigung dargestellt mit dem Erzengel Gabriel links, der sich mit erhobener Rechter an Maria wendet, die rechts steht (Abb. 19 und 20). Sie hat ihre Rechte in einem Gestus der Einwilligung erhoben, während sie in der linken Hand ein Buch hält. Links von ihrem gekrönten Haupt fliegt die Taube des Heiligen Geistes auf sie zu. Links zu ihren Füßen kniet in kleinerem Maßstab ein Mönch, der durch ein Inschriftenband bezeichnet ist (siehe dazu oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“). Das untere Emailpaar zeigt zwei Hauptpatrone des Klosters: Den Erzengel Michael als Drachentöter links und Karl den Großen mit dem Modell der Kirche und Zepter rechts (Abb. 21 und 22). Gekennzeichnet ist er durch den Titulus auf dem Nimbus, der sein gekröntes Haupt umfängt (siehe dazu oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“).



Stil und Einordnung

Da kaum bayerische Goldschmiedewerke aus der Zeit überliefert sind, ist eine stilkritische Einordnung der Emails schwer. Anhaltspunkt für die zeitliche Einordnung kann jedoch sein, dass die angewandte Technik des sogenannten partiellen Reliefschmelzes nahezu ausschließlich im 2. Viertel des 14. Jahrhunderts in Gebrauch war (Guth-Dreyfus, Transluzides Email in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts am Ober-, Mittel- und Niederrhein (1954); Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 59). Zur eingehenden Beschreibung der stilistischen Merkmale siehe Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 59f. Suckale ordnet dort die Figuren der Regensburger Buchmalerei des 2. Viertels des 14. Jahrhunderts zu, „insbesondere einer Werkstatt, die auch einige Bildfenster des Regensburger Domes geschaffen hat“ (ebd. 59).


Literaturhinweise

Guth-Dreyfus, Transluzides Email in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts am Ober-, Mittel- und Niederrhein (1954).

Heuser, Oberrheinische Goldschmiedekunst im Hochmittelalter (1974), 96f.

Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 59f.


Empfohlene Zitierweise

Caroline Smout. Paxtafel (Spolie) - BSB Clm 8201#Einband, Vorderdeckel. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.

URL: https://einbaende.digitale-sammlungen.de/Prachteinbaende/Clm_8201_Einband_Spolie_Paxtafel, aufgerufen am 09.11.2024