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Die in der Forschung wiederholt geäußerte Meinung, dass der Einband des Perikopenbuchs ursprünglich ein separat gearbeiteter Buchkasten in der Art desjenigen für den Uta-Codex (Clm 13601#Buchkasten) gewesen sei, der erst später aus praktischen Gründen zu den erhaltenen Bekleidungen der beiden Buchdeckel umgearbeitet wurde, lässt sich durch archivalische Quellen bestätigen und konkretisieren. Im Domschatzverzeichnis von 1554 findet man unter den mit goldenen Einbänden geschmückten Büchern ausgerechnet das Perikopenbuch nicht. Dort ist aber ein "Corporal Kestlein, mit Gold beschlagen, Perlen und Stainen geziert, darin ein Plenir liegend illuminiert" erwähnt, bei dem es sich nur um das Perikopenbuch handeln kann ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Archiv des Erzbistums Bamberg, ''AEB I, Nr. 82, Schatzverzeichnis 1554'']], fol. 17; [[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Dressler, ''Prachthandschriften'' (1995)]], 92; [[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Baumgärtel-Fleischmann, ''Ein Leben für den Bamberger Dom'' (1999)]], 88f., Nr. 27; [[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]], 1810, mit Anm. 899).   
Die in der Forschung wiederholt geäußerte Meinung, dass der Einband des Perikopenbuchs ursprünglich ein separat gearbeiteter Buchkasten in der Art desjenigen für den Uta-Codex (Clm 13601#Buchkasten) gewesen sei, der erst später aus praktischen Gründen zu den erhaltenen Bekleidungen der beiden Buchdeckel umgearbeitet wurde, lässt sich durch archivalische Quellen bestätigen und konkretisieren. Im Domschatzverzeichnis von 1554 findet man unter den mit goldenen Einbänden geschmückten Büchern ausgerechnet das Perikopenbuch nicht. Dort ist aber ein "Corporal Kestlein, mit Gold beschlagen, Perlen und Stainen geziert, darin ein Plenir liegend illuminiert" erwähnt, bei dem es sich nur um das Perikopenbuch handeln kann ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Archiv des Erzbistums Bamberg, ''AEB I, Nr. 82, Schatzverzeichnis 1554'']], fol. 17; [[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Dreßler, ''Prachthandschriften'' (1995)]], 92; [[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Baumgärtel-Fleischmann, ''Ein Leben für den Bamberger Dom'' (1999)]], 88f., Nr. 27; [[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]], 1810, mit Anm. 899).   


1585 muss es durch den Bamberger Goldschmied Bernhard Rehm ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Scheffler, ''Goldschmiede Oberfrankens'' (1989)]], 19, Nr. 98) aus Anlass einer Reparatur zu der folgenreichen Umarbeitung des "Corporal Kestleins" in den Einband gekommen sein, da die seit dem 18. Jahrhundert durchgeführten Arbeiten zu gut dokumentiert sind, als dass sie sich mit so weitgehenden Eingriffen in Verbindung bringen ließen (so die Argumentation Baumgärtel-Fleischmanns ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Baumgärtel-Fleischmann, ''Ein Leben für den Bamberger Dom'' (1999)]], 88f.) gegen Fillitz ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Fillitz, ''Zierde für ewige Zeit'' (1994)]], 130), der hierfür die Maßnahmen von 1726 in Anspruch nehmen wollte, s.u.). Rehm hatte zunächst nur zwei Tage zu tun, dabei aber das "gros Buch" noch nicht fertigstellen können, wobei die sehr beträchtliche Entlohnung mit 24 Gulden auf umfangreichere Arbeiten schließen lässt ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]]). Da 1584/85 auch Atlas für ein "gulden Planir und Evangelienpuch" angeschafft werden mussten und der am Rückdeckel des Perikopenbuchs erhaltene Seidenstoff in das späte 16. Jh. datiert werden kann ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Baumgärtel-Fleischmann, ''Ein Leben für den Bamberger Dom'' (1999)]], 88 mit weiteren Nachweisen. Der Rücken ist ein Stoff des 19. Jh.), darf diese Interpretation der Quellen als gesichert gelten. Vielleicht sind bei dieser Gelegenheit die beiden jüngeren Schließen aus vergoldetem Silber in Zweitverwendung für den Deckel herangezogen worden ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]]). Unklar ist, ob nicht auch die äußeren Leisten mit den merkwürdig gotisierenden Inschriften der vier Evangelistennamen, die in mehrfach vertauschter und gegenläufiger Montage in die Rahmenleisten eingelassen sind (s.o.) zu dieser Maßnahme gerechnet werden dürfen ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]]). Im 18. Jh. erfolgten weitere Veränderungen.
1585 muss es durch den Bamberger Goldschmied Bernhard Rehm ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Scheffler, ''Goldschmiede Oberfrankens'' (1989)]], 19, Nr. 98) aus Anlass einer Reparatur zu der folgenreichen Umarbeitung des "Corporal Kestleins" in den Einband gekommen sein, da die seit dem 18. Jahrhundert durchgeführten Arbeiten zu gut dokumentiert sind, als dass sie sich mit so weitgehenden Eingriffen in Verbindung bringen ließen (so die Argumentation Baumgärtel-Fleischmanns ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Baumgärtel-Fleischmann, ''Ein Leben für den Bamberger Dom'' (1999)]], 88f.) gegen Fillitz ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Fillitz, ''Zierde für ewige Zeit'' (1994)]], 130), der hierfür die Maßnahmen von 1726 in Anspruch nehmen wollte, s.u.). Rehm hatte zunächst nur zwei Tage zu tun, dabei aber das "gros Buch" noch nicht fertigstellen können, wobei die sehr beträchtliche Entlohnung mit 24 Gulden auf umfangreichere Arbeiten schließen lässt ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]]). Da 1584/85 auch Atlas für ein "gulden Planir und Evangelienpuch" angeschafft werden mussten und der am Rückdeckel des Perikopenbuchs erhaltene Seidenstoff in das späte 16. Jh. datiert werden kann ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Baumgärtel-Fleischmann, ''Ein Leben für den Bamberger Dom'' (1999)]], 88 mit weiteren Nachweisen. Der Rücken ist ein Stoff des 19. Jh.), darf diese Interpretation der Quellen als gesichert gelten. Vielleicht sind bei dieser Gelegenheit die beiden jüngeren Schließen aus vergoldetem Silber in Zweitverwendung für den Deckel herangezogen worden ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]]). Unklar ist, ob nicht auch die äußeren Leisten mit den merkwürdig gotisierenden Inschriften der vier Evangelistennamen, die in mehrfach vertauschter und gegenläufiger Montage in die Rahmenleisten eingelassen sind (s.o.) zu dieser Maßnahme gerechnet werden dürfen ([[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]]). Im 18. Jh. erfolgten weitere Veränderungen.
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[[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Baumgärtel-Fleischmann, ''Ein Leben für den Bamberger Dom'' (1999)]].
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[[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Dressler, ''Prachthandschriften'' (1995)]].
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[[Literaturliste_Westliche_Prachteinbände|Exner, ''Kunstdenkmäler'' (2015)]] (mit aktueller Literaturliste bis Sommer 2015), 1807–1811.  
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Version vom 16. November 2018, 07:31 Uhr

Übersicht
Signatur Clm 4452#Einband
Maße 445 mm x 330 mm x 18 mm
Datierung 1007 / 1012
Ort Reichenau
Objekttyp Prachteinband
Katalogisierungsebene Gesamtaufnahme (item)
Klassifizierung Kategorie:Goldschmiedekunst
Kategorie Kategorie:Westliche_Prachteinbände

Beschreibung: Karl-Georg Pfändtner. Bayerische Staatsbibliothek, 2016.


Dieser Prachteinband der ottonischen Epoche zählt zu den weltweit bedeutendsten Exemplaren; als Spolien wurden unter anderem eine karolingische Elfenbeintafel, mittelbyzantinische sowie ottonische Emails verwendet.

Informationen zum Trägerband

Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4452 : Evangelistar, Deutschland, Reichenau (Liuthar-Gruppe), zwischen 1007–1012 im Auftrag Heinrichs II. geschrieben.


Entstehung

Die Stifterinschrift zeigt an, dass der Einband auf Bestellung Heinrichs II. gefertigt worden ist; Anlass war wohl die Bistumsgründung Bambergs 1007 oder die Weihe des Bamberger Doms 1012.

Wo genau der Einband gefertigt wurde, kann bisher noch nicht genauer spezifiziert werden. Jedenfalls lassen sich die verschiedenen Einzelelemente in anderen von Heinrich in Auftrag gegebenen Goldschmiedewerken wiederfinden. Auf eine mögliche Entstehung in Regensburg, Residenz der Bayerischen Herzöge und vor Bamberg favorisierter Lieblingsort Heinrichs II., weist besonders die Silberarbeit des hinteren Deckels (s. unten).


Komponenten

Vorderdeckel:

4 Goldmetallstreifen

69 goldene Bügel (Spinnen)

132 Fassungen für Edelsteine, Glasperlen- und Steine, Perlen

57 Edelsteine und Schmucksteine (Bergkristalle, Saphire, Smaragde, Türkise, Aquamarine, Amethyste)

26 Glasersatzsteine und Glasperlen

49 Perlen unterschiedlicher Zeitstellung

2 Elfenbeinstäbe und zugehörige Rahmungen

1 Stifterinschrift


Schließen:

2 Schließen aus vergoldetem Silberguss (12. Jh.; die zweite wurde nach diesem Vorbild im 20. Jh. nachgegossen)


Spolien (separate Beschreibungen verlinkt):

1 karolingische Elfenbeintafel

4 runde Goldemails mit Evangelistensymbolen

12 rechteckige Goldemails mit halbrundem oberem Abschluss.


Maße

Vorderdeckel:

445 mm x 330 mm x 18 mm


Originaler Goldschmiederahmen:

rechts und links: 50 mm breit

oben: 55 mm, unten: 52 mm breit


Äußerer vergoldeter Silberrahmen:

11–13 mm breit


Elfenbeinstäbe mit Blattwerk:

315–316 mm x 42 mm (sie reichen ca. 10 mm unter die Inschriftleisten und den ersten Perlstab)


Elfenbeinleisten:

128 mm x 20 mm (sie reichen ca. 10 mm unter die Inschriftenleisten und den ersten Perlstab)


Rückdeckel:

445 mm x 330 mm x 15 mm


Rücken:

(wird noch erhoben)


Material und Technik

Vorderdeckel:

Originaler Goldschmiederahmen, mit Edelstein, Glas- und Perlbesatz (Edelsteine: Bergkristalle, Saphire, Smaragde, Türkise, Aquamarine, Amethyste). In den Ecken des Rahmens vier Rundmedaillons (Goldemail, s. gesonderte Beschreibung); 12 Emailplättchen mit halbrundem oberen Abschluss (s. gesonderte Beschreibung). Äußerer vergoldeter Silberrahmen mit Scharnieren, wohl 1585, mit Inschrift, bei späterer Restaurierung falsch aufgenagelt. Schließen aus feuervergoldetem gegossenem Silber. Elfenbeinstäbe; Elfenbeinleisten.


Rückdeckel:

Silberarbeiten in opus interrasile auf grünem Seidengrund


Zu den Ergebnissen der materialwissenschaftlichen und kunsttechnologischen Untersuchungen durch das Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung (IBR)


Beschreibung des Äußeren

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

s. separate Beschreibung der Elfenbeinplatte.


Mittelfeldbegrenzung:

Die Hauptplatte ist rechts und links mit vier Elfenbeindübeln an die schmalen Elfenbeinstäbe angesetzt; fast durchweg nachweisbare ausgetrocknete und zum Großteil herausgefallene Kittmasse.


Rahmen:

Äußerer vergoldeter Silberrahmen mit Scharnieren, wohl 1585, mit Inschrift, bei späterer Restaurierung falsch aufgenagelt.


Goldschmuck / Filigran / etc.:

69 goldene Bügel (Spinnen): Die freistehenden dreiteiligen Filigranbügel aus doppelt geführtem Draht, auf den Grund aufgelötet (viele fehlen heute), haben ursprünglich wohl regelmäßig und symmetrisch die Zwischenräume zwischen den Steinen, Perlen und Emails gefüllt (Abb. 1 und 2). Das System lässt sich am ehesten noch im Feld zwischen den Emails von Christus und Paulus, zwischen Thomas und dem Löwen sowie zwischen Bartholomäus und dem Stier erkennen.



Fassungen:

132 Fassungen in mehreren Ausführungen

Typ I: Röhrenfassung, die am Fuß und mittig ein Filigranband umgibt (Abb. 3)

Typ Ia: mit grobem gedrehtem Filigrandraht als Schmuck (insgesamt 22 Stück) (wohl die im 18. Jh. ausgetauschten Fassungen) (Abb. 4)

Typ Ib: mit feinem gedrehtem Filigrandraht als Schmuck (6 Stück) (Abb. 5 und 6)

Typ II: Röhrenfassung, die am Fuß und mittig ein Filigranband umgibt, Steine/Perle/Glas werden durch Fassungen mit Zahnschnitt gehalten (Abb. 7)

Typ III: dreiteilige Blätter, um deren Rand ein Filigrandraht gelegt ist (Abb. 8)

Edelsteine, Halbedelsteine, Glas

57 Edelsteine und Halbedelsteine (Bergkristalle, Saphire, Smaragde, Türkise, Aquamarine, Amethyste), 26 Glasersatzsteine und Glasperlen

Perlen: 49 Perlen unterschiedlicher Zeitstellung



Anordnung der Steine, Perlen etc.:

Auf der oberen und unteren Leiste wird je ein großer Stein von kleinen Steinen, ursprünglich wahrscheinlich nur Perlen (Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994, 130), flankiert. Auf den senkrechten Leisten rechts und links ist das Schema dahin gehend erweitert, dass der große mittlere Stein in den Ecken von kleineren umgeben ist und dazwischen Perlen sitzen bzw. saßen.


Rückdeckel:

Mittelfeld:

Aufgenagelte Medaillons aus teilvergoldetem Silberblech; zentrales, kreisförmiges Medaillon mit figürlicher Darstellung und Inschrift; in den vier Ecken des Mittelfeldes kleinere kreisförmige Medaillons mit frontalen Brustbildern vierer weiblicher Figuren.


Rahmen:

Aus teils vergoldetem Silberblech, ca 44 mm breit, mit vegetabiler Ornamentik (Akanthusfries), gehalten in den vier Ecken und in der Mitte der Längsseiten von sechs sternförmigen Nägeln.


Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen

Die Elfenbeintafeln sind mittels schmaler goldener Leisten mit der Stifterinschrift in Majuskeln auf den Holzkern des Vordereinbands mit Nägeln fixiert. Die Inschrift lautet: GRAMMATA QVI SOPHIE QVERIT COGNOSCERE VERE / HOC MATHESIS PLENE QVADRATVM PLAVDET HABERE / EN QVI VERACES SOPHIE FVLSERE SEQVACES / ORNAT PERFECTAM REX HERINRIH STEMMATE SECTAM - ("Wer die Schriften der wahren Weisheit zu verstehen sucht, wird frohlocken, dieses Geviert der Hohen Lehre in ihrer Fülle zu besitzen. Siehe hier jene, die als wahrhaftige Jünger der Weisheit erstrahlen: König Heinrich schmückt mit Zierrat diese vollkommene Lehre"; Übertragung ins Deutsche durch Exner, Kunstdenkmäler (2015), nach Kurt Smolak (Wien) in Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994), mit Modifikation gemäß Peter Diemer, s. Exner, Kunstdenkmäler (2015), 1810, Anm. 893).

Spätere, gotisierende Inschriften bezeichnen die vier Evangelisten und wurden in mehrfach vertauschter und gegenläufiger Montage in die Rahmenleisten eingelassen. Möglicherweise wurden diese bei einer späteren Restaurierung in falscher Anordnung neu befestigt: SANCTVS MATHEVS, SANCTVS MARCUS, SANCTVS LVCAS, SANCTVS JOHANNES


Überarbeitungsstadien

Die in der Forschung wiederholt geäußerte Meinung, dass der Einband des Perikopenbuchs ursprünglich ein separat gearbeiteter Buchkasten in der Art desjenigen für den Uta-Codex (Clm 13601#Buchkasten) gewesen sei, der erst später aus praktischen Gründen zu den erhaltenen Bekleidungen der beiden Buchdeckel umgearbeitet wurde, lässt sich durch archivalische Quellen bestätigen und konkretisieren. Im Domschatzverzeichnis von 1554 findet man unter den mit goldenen Einbänden geschmückten Büchern ausgerechnet das Perikopenbuch nicht. Dort ist aber ein "Corporal Kestlein, mit Gold beschlagen, Perlen und Stainen geziert, darin ein Plenir liegend illuminiert" erwähnt, bei dem es sich nur um das Perikopenbuch handeln kann (Archiv des Erzbistums Bamberg, AEB I, Nr. 82, Schatzverzeichnis 1554, fol. 17; Dreßler, Prachthandschriften (1995), 92; Baumgärtel-Fleischmann, Ein Leben für den Bamberger Dom (1999), 88f., Nr. 27; Exner, Kunstdenkmäler (2015), 1810, mit Anm. 899).

1585 muss es durch den Bamberger Goldschmied Bernhard Rehm (Scheffler, Goldschmiede Oberfrankens (1989), 19, Nr. 98) aus Anlass einer Reparatur zu der folgenreichen Umarbeitung des "Corporal Kestleins" in den Einband gekommen sein, da die seit dem 18. Jahrhundert durchgeführten Arbeiten zu gut dokumentiert sind, als dass sie sich mit so weitgehenden Eingriffen in Verbindung bringen ließen (so die Argumentation Baumgärtel-Fleischmanns (Baumgärtel-Fleischmann, Ein Leben für den Bamberger Dom (1999), 88f.) gegen Fillitz (Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994), 130), der hierfür die Maßnahmen von 1726 in Anspruch nehmen wollte, s.u.). Rehm hatte zunächst nur zwei Tage zu tun, dabei aber das "gros Buch" noch nicht fertigstellen können, wobei die sehr beträchtliche Entlohnung mit 24 Gulden auf umfangreichere Arbeiten schließen lässt (Exner, Kunstdenkmäler (2015)). Da 1584/85 auch Atlas für ein "gulden Planir und Evangelienpuch" angeschafft werden mussten und der am Rückdeckel des Perikopenbuchs erhaltene Seidenstoff in das späte 16. Jh. datiert werden kann (Baumgärtel-Fleischmann, Ein Leben für den Bamberger Dom (1999), 88 mit weiteren Nachweisen. Der Rücken ist ein Stoff des 19. Jh.), darf diese Interpretation der Quellen als gesichert gelten. Vielleicht sind bei dieser Gelegenheit die beiden jüngeren Schließen aus vergoldetem Silber in Zweitverwendung für den Deckel herangezogen worden (Exner, Kunstdenkmäler (2015)). Unklar ist, ob nicht auch die äußeren Leisten mit den merkwürdig gotisierenden Inschriften der vier Evangelistennamen, die in mehrfach vertauschter und gegenläufiger Montage in die Rahmenleisten eingelassen sind (s.o.) zu dieser Maßnahme gerechnet werden dürfen (Exner, Kunstdenkmäler (2015)). Im 18. Jh. erfolgten weitere Veränderungen.


Vorderdeckel:

Die Bügel (oder Spinnen) waren ursprünglich wohl zwischen die Steine und Perlen gesetzt, ebenso vier um die byzantinischen Emails, die auf den senkrechten Leisten die großen mittleren Steine rahmen. Bei den horizontalen Leisten dürften die Bügel zwischen dem großen mittleren Stein und den Perlpaaren angeordnet gewesen sein, sie waren ursprünglich mit großer Regelmäßigkeit angebracht worden.


Rückdeckel:

Zur Anordnung der Medaillons vgl. oben.


Zustandsberichte

Domkustos Graff zählt 1736/43 in seiner "Außführlich- und Vollständige Beschreibung aller In dem Kayserlich- und Immediaten Hohen Dom-stifft zu Bamberg sich befindenden Heiligen Reliquien, Antiquitäten, Gold, Silber, und Anderer Kostbarkeiten" (Bamberg, Staatsbibliothek, HV.Msc.224, 100) insgesamt 80 ungeschnittene Juwelen (83 Steine, Glasersatzsteine etc. finden sich heute darauf), und 51 Perlen (heute noch 49). Das Goldgewicht betrug 1736/43 laut Graff (ebd., 100) 210 Kronen. Er nennt auch die vier Emails der Evangelistensymbole und die 12 Goldemails. Der inneren Einfassung des Rahmens fehlen heute die ursprünglichen Perlenketten zwischen den Filigransäumen, einige der zugehörigen Ösen sind noch vorhanden, ebenso der Abdruck der Perlen, die äußere Rahmung aus vergoldetem Silberblech ist neuzeitlich.


Restaurierung

1726 wird der Bamberger Goldschmied Johann Jakob Lochner für eine aufwendige Reparatur entlohnt (Exner, Kunstdenkmäler (2015), 1811 mit Verweis auf Quellen in Anm. 909). Die Abrechnung stellt die Erneuerung von 22 Steinfassungen in Rechnung. Diese werden mit den 22 Fassungen mit dem groben Kordelband (Typ Ia) identisch sein, die sich auf dem Buchdeckel nachweisen lassen.


Ikonographie

Vorderdeckel:

s. separate Beschreibung der Elfenbeintafel.


Rückdeckel:

Im Zentrum Lamm Gottes mit Kreuznimbus (Dm 16,2); in den Ecken des Mittelfeldes die Kardinaltugenden: Justitia, Prudentia, Fortitudo und Temperantia, alle Dm 9,1–9,3.


Stil und Einordnung

Vorderdeckel:

Die kleinen goldenen Bügel sind auch aus der Metzer Goldschmiedekunst bekannt, vgl. z.B. Ms. Latin 9388 der BnF Paris (Steenbock, Der kirchliche Prachteinband (1965), Kat. Nr. 46, Abb. 64). Sie kommen schon in karolingischer Zeit vor, so am Psalter Karls des Kahlen (Steenbock, Der kirchliche Prachteinband (1965), Kat. Nr. 19, Rückdeckel, Abb. 31, Paris, BnF Ms. Latin 1152).

Technische Anknüpfungen der Fassungen Typ I (Abb. 3) an die Perlfassungen des bis 1810 in Regensburg verwahrten Deckels des Ardennenkreuzes im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg (Das erste Jahrtausend (1962)). In der kräftigen Ausführung, wie sie im Perikopenbuch aufscheinen, finden sie sich auch im Heinrichskreuz in Fritzlar, Domschatz. Exner (Exner, Kunstdenkmäler (2015), 1810 mit Anm. 894) verweist auf die Ähnlichkeit der Fassungen zum Codex Aureus und folgt einer Lokalisierung nach Regensburg. Die Fassungen Typ III mit am äußeren Rand mit Perldraht verstärkten Trifolien (Abb. 8) haben – allerdings ohne den dortigen Unterbau – Ähnlichkeit mit einigen Fassungen des Evangeliars Ottos III., am Heinrichskreuz in Fritzlar (dort nur rund und mit dünnem Goldblech gefüllt) und mit einigen Fassungen am Kreuzreliquiar der Domschatzkammer Essen, die in die Mitte des 11. Jh. datiert werden. Diese großen Fassungen des Perikopenbuches leiten sich vielleicht auch von den Cloisonnéfassungen des Codex Aureus ab.

Die seitlichen Elfenbeinstreifen (zum großen Elfenbein s. separate Beschreibung) mit sehr qualitativem Blattwerk, das sich aber deutlich vom Blattwerk der Mitteltafel unterscheidet, sind in ihrer Datierung umstritten (s. jüngst Exner, Kunstdenkmäler (2015), 136), doch deuten die Maße und der glatte Randrahmen, der bis zu 17 mm unter die Bleche der Stiftungsinschrift und sogar noch unter das Goldblech reicht, wohl darauf hin, dass sie als Ergänzung des figürlichen Elfenbeins eigens für die Zusammenstellung der Komposition zur Zeit Kaiser Heinrichs geschaffen worden sind (ich danke für diese Einschätzung Prof. Rainer Kahsnitz bei einer gemeinsamen Betrachtung des Buchdeckels im Januar 2015; schon Steenbock (Steenbock, Der kirchliche Prachteinband (1965), 131) datiert diese Seitentafeln in die Zeit der Zusammenstellung des Stücks.


Rückdeckel:

Der Rückdeckel wird gemeinhin als Regensburger Arbeit angesehen (Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994), 130) und in die Gruppe um den Wattenbacher Tragaltar (München, BNM, Inv.-Nr. MA 198) gegeben. Als weitere Werke dieser Gruppe sind die Unterseite des Tragaltars Kaiser Heinrichs II. (München, Schatzkammer der Residenz, Inv.-Nr. Res. Mü. Schk. 9, WL; Rückseite) und das Reichskreuz (Wien, Weltliche und Geistliche Schatzkammer, Inv.-Nr. XIII 21) sowie der Rückdeckel des Sakramentars Heinrichs II. der BSB, Clm 4456) zu nennen. Vor allem sind die Beziehungen zwischen dem Palmettenornament auf dem Rückdeckel des Perikopenbuchs und den Rahmungen von Miniaturen des Regensburger Sakramentars Kaiser Heinrichs II. für eine Lokalisierung dorthin ausschlaggebend (vgl. Regensburger Buchmalerei (1987), Taf. 94, Digitalisat, fol. 15v; Fillitz, Thesaurus mediaevalis (2010), 77). Suckale-Redlefsen (Suckale-Redlefsen, Eine kaiserliche Goldschmiedewerkstatt (1995) und Suckale-Redlefsen, Goldener Schmuck für Kirche und Kaiser (2002), 83f.) plädiert für eine Entstehung der Silbergravuren in Bamberg. Dass die Medaillons so frei im Raum standen wie sie sich heute präsentieren, ist nach Fillitz (Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994), 132) eher unwahrscheinlich. Das Perikopenbuch wäre das einzige Beispiel für das opus interassile in der Gruppe dieser Silberarbeiten. Vermutlich wurden sie später ausgeschnitten und neu aufgenagelt.


Provenienz

1554 im Schatzverzeichnis des Bamberger Doms als Buchkasten erwähnt. Bamberg, Domschatz bis 1803. Im Zuge der Säkularisierung nach München in die Hofbibliothek gelangt.


Literaturhinweise

Archiv des Erzbistums Bamberg, AEB I, Nr. 82, Schatzverzeichnis 1554.

Baumgärtel-Fleischmann, Ein Leben für den Bamberger Dom (1999).

Dreßler, Prachthandschriften (1995).

Exner, Kunstdenkmäler (2015) (mit aktueller Literaturliste bis Sommer 2015), 1807–1811.

Graff, Außführlich- und Vollständige Beschreibung (1736/43), [Staatsbibliothek Bamberg HV.Msc.224],BS.100.

Das erste Jahrtausend (1962).

Fillitz, Thesaurus mediaevalis, 2010.

Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994).

Regensburger Buchmalerei (1987).

Pracht auf Pergament (2012), Nr. 36.

Prachteinbände 870–1685 (2001), Nr. 4.

Scheffler, Goldschmiede Oberfrankens (1989).

Steenbock, Der kirchliche Prachteinband (1965).

Suckale-Redlefsen, Eine kaiserliche Goldschmiedewerkstatt (1995).

Suckale-Redlefsen, Goldener Schmuck für Kirche und Kaiser (2002), 78–92.


Empfohlene Zitierweise

Karl-Georg Pfändtner. Prachteinband zum Perikopenbuch Heinrichs II. - BSB Clm 4452#Einband. Bayerische Staatsbibliothek, 2016.

URL: https://einbaende.digitale-sammlungen.de/Prachteinbaende/Clm_4452_Einband_Hauptaufnahme, aufgerufen am 09.11.2024