Goldschmiedeeinband zum Sakramentar Heinrichs II. - BSB Clm 4456#Einband
Übersicht | |
Signatur | Clm 4456#Einband |
Maße | 296-298 mm x 245 mm x 15 mm |
Datierung | 1002 / 1012 |
Ort | Bamberg? |
Objekttyp | Goldschmiedeeinband |
Katalogisierungsebene | Gesamtaufnahme (item) |
Klassifizierung | Kategorie:Goldschmiedekunst |
Kategorie | Westliche Prachteinbände |
Kurzaufnahme zum Einband im BSB-Katalog mit weiterführenden Informationen |
Kurzaufnahme der Handschrift mit weiterführenden Informationen |
Link zur Forschungsdokumentation der BSB |
Handschriftendigitalisat |
Einbanddigitalisat |
Materialanalyse |
Beschreibung: Bayerische Staatsbibliothek, Karl-Georg Pfändtner, 2016
Die Rückseite des Einbands schmückt eine - vermutlich originale - Silberplatte mit der Figur Papst Gregors des Großen, die Vorderseite ein Elfenbeinrelief mit der Darstellung der Kreuzigung Christi und der Frauen am Grabe.
Informationen zum Trägerband
Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 4456: Sakramentar, Deutschland, Regensburg, zwischen 1007–1012 im Auftrag Heinrichs II. geschrieben
Entstehung
Zur Bistumsgründung Bambergs 1007 oder zur Domweihe des Bamberger Doms 1012 von Heinrich II. gestiftet. Im 16. Jahrhundert in Bamberg grundlegend überarbeitet.
Komponenten
Vorderdeckel:
4 Goldmetallstreifen
4 schmale Stege
1 Zierleiste
22 Drahtringe
22 Vierpässe aus gekordeltem Goldraht.
Rückdeckel:
1 Rückdeckel aus Holz mit durchbrochener Silberplatte
Dunkelgrüner Seidenstoff
Reste von Randbeschlägen
Rücken:
roter Samt
Schließen:
2 Schließen
Spolien (separate Beschreibungen verlinkt):
1 Elfenbeinrelief (Vorderdeckel)
Maße
Vorderdeckel:
296-298 mm x 245 mm x 15 mm
Goldschmiederahmen an allen Seiten 45 mm breit
Perlbänder 65 mm lang und 5 mm breit
Rückdeckel:
Silberplatte: 298 mm x 241-245 mm x 5 mm
Rückdeckel insgesamt: 298 mm x 245 mm x 18 mm
Schließen:
104 mm x 29-30 mm x 3 mm
Buchblock:
296-298 mm x 241 mm x 115 mm
Material und Technik
Vorderdeckel
Kantenbeschläge: Silber, vergoldet.
Mittelfeld:
Elfenbeinplatte mittels gebördelten Goldblechs fixiert
Rückdeckel:
Gravierte Silberplatte (teilvergoldet), opus interassile
Dunkelgründer Seidenstoff
Stark beschädigte Kantenbleche aus vergoldetem Silber
Schließen:
Silber, gegossen, vergoldet.
Riemen aus Silberröhren, vergoldet
Beschreibung des Äußeren
Vorderdeckel:
Flacher Goldschmiederahmen aus 4 Goldmetallstreifen um ein Elfenbeinrelief (gebördelt am Elfenbein). 4 schmale Stege aus vergoldetem Silberblech (über den Kanten). Zierleiste aus zwei parallel mit der Außenkante verlaufenden kordierten Drähten, dazwischen 22 gleichmäßig verteilte Drahtringe (fünf entlang der waagrechten, sechs entlang der senkrechten Kanten des Reliefs, alle ebenfalls aus kordiertem Draht). 22 Vierpässe aus gekordeltem Goldraht. Die Diagonalen des Rahmens sind jeweils durch zwei parallele Drähte betont, die eine Leiste aus gepunzten kleinen Halbkugeln begrenzen. Die Montierungsnägel sind durchwegs so verteilt, dass sie als Teil des Ornaments wirken. Die Stärke des Holzdeckels ist mit vergoldetem Silberblech bezogen.
Rückdeckel:
Rückdeckel aus graviertem, teilvergoldetem Silber. Die Hintergründe und die Zwischenflächen des Palmettenfrieses sind ausgesägt und lassen die dunkelgrüne Seide – so noch vorhanden – sichtbar werden, ebenso das darunter liegende Wildleder. Die Metallarbeit ist mit wohl durchdacht verteilten Metallstiften auf dem Deckel befestigt, die auch die Seide und die Wildlederbespannung fixieren.
Schließen:
Die Schließen (rechteckig, oben halbrund) bestehen aus einem länglichen beweglichen Teil aus 13 vergoldeten geriefelten und ineinander verzapften Silberröhren und einer schildförmigen kleinen Platte, an der ein Ring sitzt. Sämtliche Teile sind gegossen und vergoldet. Die Platte der Schließe ist hochrechteckig mit nach oben leicht konisch verlaufenden Seitenkonturen und halbkreisförmigem Abschluss. Abgesehen von der Basislinie der Platte ist der Rand mit einem Kugelfries verstärkt. Die Binnenfläche füllen vier gegenständige Tiere.
Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen
Auf dem Rückdeckel steht unter dem oberen Saum des dargestellten Vorhangs in Kapitalis: SCS GRE / GORIVS
Überarbeitungsstadien
Reste der Einlage des Rückens und des Buchblocks - ein mit dem Kapital (blaue Fäden) angestochenes Wildlederteil sowie Reste eines Goldbrokats - wurden abgetrennt und separat aufbewahrt. Die Reste des eigentlichen, wohl originalen Wildlederrückens sind an den äußeren Kapitalen noch sichtbar. Der Goldbrokat an der inneren, dem Schnitt zugewandten Seite, war eine Verzierung für das Kapital. Der Rücken dürfte weder damit noch mit einem anderen Stoff überzogen gewesen sein, da sich sonst auch Stoffreste unter den äußeren Kapitalfäden finden müssten.
Zustandsberichte
Im Domschatzverzeichnis von 1736/43 (Graff, Außführlich- und Vollständige Beschreibung (1736/43), 91.) wird das Goldgewicht, das Graff bereits im Jahre 1726 bei allen Schatzstücken ermittelt hat, mit „84 Cronen“ angegeben. Das am 22. März 1803 erstellte „Verzeichnis der zum hiesigen Domschatze gehörigen Sachen“ (SAB, Rep. K 202, Nr. 101, Lit B) nennt, wohl das ältere Verzeichnis zitierend, ebenfalls „84 Kronen Goldgewicht".
Restaurierung
1585 sind umfangreichere Reparaturen an allen Prachteinbänden des Bamberger Domstifts vorgenommen worden (Dressler, Prachthandschriften (1995), 93), die insbesondere wohl auch den Vorderdeckel des Sakramentars betrafen (s. Gullath, Kodikologie und Geschichte (2010); s. auch Abschnitt "Stil und Einordnung").
1726 wurden für die Restaurierung des Codex unter Domcustos Johannes Graff nur „4 ½ gran zu de[m] Missale“ verwendet; die Reparatur kostete auch nur 4 fl. (vgl. zu beiden Sachverhalten Dressler, Prachthandschriften (1995), 100). Im Domschatzverzeichnis von 1736/43 (Graff, Außführlich- und Vollständige Beschreibung (1736/43), 91.) wird das Goldgewicht, das Graff bereits im Jahre 1726 bei allen Schatzstücken ermittelt hat, mit „84 Cronen“ angegeben. Vermutlich bezieht sich diese Angabe jedoch nur auf den Vorderdeckel.
Die untere der beiden Schließen ist vielleicht Kopie der oberen aus dem Jahre 1727 (vgl. Pippal, Der Einband (2010), 36). Die beiden Riemen aus Silberröhren (vergoldet) stammen wohl aus dem 16. oder 18. Jh.(?).
Rücken, roter Samt aus dem Jahre 1962 (vgl. Gullath, Kodikologie und Geschichte (2010), 15).
Ikonographie
Vorderdeckel:
Kreuzigung Christi und Frauen am Grabe (s. gesonderte Beschreibung)
Rückdeckel:
Darstellung des hl. Papstes Gregors (590–604) (der als Redakteur des Sakramentars gilt). Der nimbierte Papst sitzt auf einer Thronbank mit einem Kissen, die Füße auf einem Suppedaneum. Mit der linken Hand hält er mit einem Federmesser ein auf einem Pult liegendes Buch offen. Auf dem Pult finden sich ein Tintenfass und zwei Federn. Auf der Schulter sitzt die Taube des heiligen Geistes, die den Kirchenvater inspiriert (sie berührt mit ihrem Schnabel das Ohr Gregors). Die Szene findet in einer Architekturabbreviatur statt, einem von zwei Säulen getragenen dreigiebeligen Gebäude. Gregor wird von einem Vorhang hinterfangen, der rechts und links um die Säulen verschlungen ist. Auf diesem steht in Kapitalis die Bezeichnung des Dargestellten: SCS GRE / GORIVS.
Schließen:
Von den auf der Binnenfläche dargestellten Tieren sind die zwei unteren Vierfüßler, die einander den Rücken zuwendend parallel zu den leicht schrägen Seitenkonturen lagern und ihren auf einem langen Hals sitzenden Kopf in die Höhe und damit einander entgegenrecken. Aus ihrem unter ihrem Hinterlauf durchgezogenen Schwanz sprießt jeweils ein Zweig, dessen Ende bis in den weit aufgerissenen Rachen des Tieres reicht. Die Rippen der Tiere sind durch parallel geführte Rillen betont, die Oberschenkel ähnlich strukturiert. Die oberen Tiere sind zur Senkrechtachse der Platte gedreht, also einander zugewandt, ihre Rücken der Rundung des oberen Plattenabschlusses angepasst. Sie besitzen nur einen halben Körper mit den Vorderläufen eines Säugetieres. Den übrigen Körper ersetzt ein dreiteiliges vegetabiles Motiv (die Beschreibung nach Pippal, Der Einband (2010), 36).
Stil und Einordnung
Komponenten verschiedener Provenienz und Zeitstellung (s. auch je gesonderte Spolien-Beschreibungen). Das Elfenbeinrelief und der Rückdeckel stammen wohl vom ursprünglichen Einband aus der Zeit Kaiser Heinrichs II., zwischen 1002 und 1014 mit der Handschrift dem Bamberger Dom gestiftet, ebenso die obere Schließe, nach der die untere ergänzt worden ist.
Der einfache Goldblechdeckel des Vorderdeckels ist zeitlich schwer einzuordnen. Während die ältere, aber auch noch jüngere Forschung davon ausgeht, dass der goldene Überzug im 17. oder 18. Jahrhundert einen älteren Einband ersetzte und nur das Elfenbeinrelief wiederverwendete, nimmt Brigitte Gullath (Gullath, Kodikologie und Geschichte (2010), 14, nach mündl. Mitteilung von Lorenz Seelig) überzeugend an, dass der Einband, der bei der Restaurierung von Johann Graff (1726) nur mit wenig Gold ausgebessert wurde (mit „4 ½ gran“, die Reparatur kostetet auch nur 4 fl. [vgl. zu beiden Sachverhalten Dressler, Prachthandschriften (1995), 100], s. hierzu Abschnitt "Überarbeitungsstadien"), vermutlich einer umfangreichen Restaurierung aus dem Jahre 1585 entstammt.
Der Rückdeckel wird gemeinhin als Regensburger Arbeit angesehen (Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994, 130) und in die Gruppe um den Wattenbacher Tragaltar (München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. MA 198) gegeben. Als weitere Werke dieser Gruppe sind die Unterseite des Tragaltars Kaiser Heinrichs II. (München, Schatzkammer der Residenz, Inv.-Nr. Res.Mü.Schk. 9, WL; Rückseite) und das Reichskreuz (Wien, Weltliche und Geistliche Schatzkammer, Inv.-Nr. XIII 21) sowie der Rückdeckel des Perikopenbuchs Kaiser Heinrichs II. der BSB, Clm 4452#Einband, zu nennen. Vor allem sind die Beziehungen zwischen dem Palmettenornament auf dem Rückdeckel des Perikopenbuchs und den Rahmungen von Miniaturen des Regensburger Sakramentars Kaiser Heinrichs II. für eine Lokalisierung dorthin ausschlaggebend gewesen (vgl. Regensburger Buchmalerei (1987), Taf. 94; Fillitz, Thesaurus mediaevalis, 2010, 77). Suckale-Redlefsen (Suckale-Redlefsen, Eine kaiserliche Goldschmiedewerkstatt (1995) und Goldener Schmuck für Kirche und Kaiser (2002), 83f.) plädiert für eine Entstehung der Silbergravuren in Bamberg. Martina Pippal verweist jüngst (Pippal, Der Einband (2010), 31) auf die stilistischen Differenzen zu diesen o.g. Arbeiten, auf lothringische Vorbilder oder eine Entstehung in Lothringen (Gemeinsamkeiten mit dem Meister des Registrum Gregorii).
Aufgrund der inhaltlichen Verbindung zum Text der Handschrift (Papst Gregor gilt als Verfasser des Sakramentars) und der zum Buchblock passenden Größe gilt die Platte als Teil des ursprünglichen Einbandes.
Da die beweglichen Teile der Schließen formal differieren und beide hinsichtlich der Metallfarbe voneinander abweichen, wird vermutet, dass die untere eine Kopie der oberen ist. Motivisch lassen sich Parallelen in angelsächsischen Werken finden (Pippal, Der Einband (2010), 36 mit Beispielen in Anm. 40), doch dürfte es sich nach Pippal, Der Einband (2010), 36f.) um eine auf dem Kontinent zur Jahrtausendwende entstandene Arbeit handeln. Die Zugehörigkeit zum Sakramentar ist somit nicht gesichert, jedoch möglich. Sie könnte auch von einem anderen der ursprünglich 12 im Bamberger Dom vorhandenen Prachteinbänden stammen, zumal die beweglichen Riemen später (16. oder 18. Jh.?) einzuordnen sind.
Provenienz
Das Buch wird (von Dressler, Prachthandschriften (1995), 92) mit dem 1554 angelegten Domschatzverzeichnis (Archiv des Erzbistums Bamberg, AEB, Rep. I, Nr. 72, Bl. 17r–18v, hier 17v) genannten Buch Nr. 5 identifiziert: „Ein Puch, darinnen alle Orationes, Secreta et Complenda geschrieben, oben mit gold beschlagen, vunden Silbers vubergult mit einem helfenpainen pild Salvatoris“. Bamberg, Domschatz bis 1803. Dann München, Hofbibliothek.
Literaturhinweise
Archiv des Erzbistums Bamberg, AEB, Rep. I, Nr. 72, Bl. 17r–18v, Verzeichnis der Handschriften im Domschatz Bamberg.
Dressler, Prachthandschriften (1995).
Exner, Kunstdenkmäler (2015), 1811-1814 (mit aktueller Literaturliste bis Sommer 2015).
Fillitz, Zierde für ewige Zeit (1994.
Fillitz, Thesaurus mediaevalis, 2010.
Graff, Außführlich- und Vollständige Beschreibung (1736/43), 91.
Gullath, Kodikologie und Geschichte (2010), 9–27.
Pippal, Der Einband (2010), 29-38.
Regensburger Buchmalerei (1987), Taf. 94.
SAB, Rep. K 202, Nr. 101, Lit B.
Suckale-Redlefsen, Eine kaiserliche Goldschmiedewerkstatt (1995), 129-177.
Suckale-Redlefsen, Eine kaiserliche Goldschmiedewerkstatt (1995).
Suckale-Redlefsen, Goldener Schmuck für Kirche und Kaiser (2002), 78-92