Karolingisches Elfenbeinrelief (BSB Clm 837#Einband, Vorderdeckel)

Aus Prachteinbände
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Signatur Clm 837#Einband
Maße 93 mm Durchmesser
Datierung 2. Hälfte 10. Jh.
Ort Mitteleuropa: Fulda
Objekttyp Elfenbeinschnitzerei
Katalogisierungsebene Item
Klassifizierung Kategorie:Schnitzkunst
Kategorie Sculpture/European Art, reliefs (sculpture) (AAT-ID: 300047230)


Beschreibung: Caroline Smout, 2017


Das karolingische Elfenbeinrelief wurde als Spolie zur Dekoration des Einbandes des Goslaer Evangeliars verwendet Clm 837#Einband


Informationen zum Trägerband

Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 837: Evangeliar, Deutschland, Goslar, 1014


Entstehung

Nähe zur Liuthard-Gruppe und zur Metzer Schule, 2. Hälfte 10. Jh. Mitteleuropa: Fulda



Maße

Elfenbein: 93 mm Durchmesser



Material und Technik

Durchbrochen gearbeitetes Elfenbeinmedaillon, mit sechs Häkchen auf einer Platte aus vergoldetem Silberblech befestigt.


Beschreibung des Äußeren

Das Medaillon zeigt eine figürliche Szene gleichsam im Hochrelief.




Zustandsberichte

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Das Elfenbeinmedaillon ist leicht beschädigt: Am Rand Risse, im Feld fehlen Stücke der Arma Christi (Lanze und Stabe mit dem Schwamm) und ein Evangelistensymbol (am rechten Kreuzbalken der Stier als Symbol des Lukas).


Ikonographie

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Das Elfenbeinmedaillon zeigt die Kreuzigung Christi: Links und rechts vom Kreuz, das den Gekreuzigten in frontaler Ansicht jugendlich und aufrecht stehend darbietet, sind Longinus und Stephaton dargestellt. Im Dreiviertelprofil gegeben, wenden sie sich dem Gekreuzigten zu, wobei sie mit weitschweifiger Armgebärde Lanze und Schwamm auf dem Ysopstab auf ihn richten: Stephaton, um Christus den Essigschwamm zu reichen, Longinus, um das Herz Jesu zu öffnen. Stephaton hält in seiner Rechten zudem den Eimer. Auf dem linken und rechten Kreuzesarm befinden sich in Medaillons die Personifikationen von Sol und Luna als Halbfiguren. Beide erscheinen in Wolkenformationen gehüllt, während von Sol Strahlen ausgehen und Luna eine Fackel hält. An den Enden der Kreuzesbalken sind die vier Evangelistensymbole angebracht (unten die menschliche Figur des Matthäus, links der Löwe des Markus, oben der Adler des Johannes, der Stier des Lukas fehlt rechts).




Stil und Einordnung

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Die Komposition ist aus verschiedenen Bildquellen zusammengesetzt.

Die Füße Christi stehen auf dem Suppedaneum, das in zahlreiche Schüsselfalten gelegte Lendentuch reicht bis zu den Knien und ist in der Mitte durch einen Knoten verschlungen. Der Typus der Christusgestalt ist Arbeiten der Metzer Schule entlehnt, und zwar einem Vorbild, das innerhalb der Gruppe eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Auf dem Elfenbein des Deckels von lat. 9383 [Paris, BN] (Kat. Nr. 33) trägt Christus - byzantinischer Eigenart folgend - den in der Mitte geknoteten Schurz, die Anatomie des Körpers ist scharf durchgeformt; im Gegensatz dazu steht die weiche Modellierung der Figur in München.

Longinus und Stephaton sind den gleichen Figuren auf dem Liuthard-Elfenbein in München (Kat. Nr. 50 – Clm 4452) verwandt . Ähnlichkeit besteht ferner eher zur Kreuzigungsgruppe auf dem Einband von Clm 4456 (Kat. Nr. 60). T. Buddensieg datiert diese auf 3. Jahrzehnt des 11. Jh. nach Fulda (Steenbock, S. 149).

Die Wiedergabe von Sol und Luna nach antiker Art als Halbfiguren mit Fackeln ist beiden Schulen [Liuthard-Gruppe und Metz] geläufig. Ungewöhnlich ist das Auftreten der Evangelistensymbole. Nur auf dem genannten Metzer Elfenbein in Paris [lat. 9383 [Paris, BN] (Kat. Nr. 33)] sind die Symbole als Begleiter der vier Evangelisten dem Kreuzigungsbild zugefügt, während sie auf der Adalbero-Platte in Metz anthropomorphe Gestalt angenommen haben (vgl. Kat. Nr. 33).


Vermischung der Stilelemente:

Die glatte Modellierung, die Bodenbehandlung sowie die Bewegungs- oder Faltenmotive rücken das Werk in die Nähe der Liuthard-Gruppe. Dagegen erinnern das kontinuierlich sich aus der Fläche entwickelnde Relief, die Stilisierung der Wolkenbänke von Sol und Luna oder die Durchbildung des Schurzes Christi mehr an Arbeiten aus dem Umkreis der Metzer Schule. In der »Qualität des Stiles« (Goldschmidt) stehen vier kleine Täfelchen des Berliner Museums (Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, I, Nr. 52-55,Taf. XXIII) sehr nahe, die als Ausläufer der Liuthard-Gruppe bezeichnet werden. Weitzmann (op. cit., S. 14 ff.) lokalisierte diese, meist der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts angehörenden Elfenbeine, in Fulda aufgrund der vielfachen Beziehungen zu der dort entstandenen Buchmalerei (Steenbock 1965, Nr. 53, S. 137).

Weitzmann, Fuldaer Elfenbeingruppe, 1935, S. 17: Fuldaer-Gruppe weist gegenüber der Liuthard-Gruppe eine größere Massigkeit und voluminösere Gestaltung der Figuren auf.