Elfenbeineinband zum Sakramentar - BSB Clm 10077#Einband

Aus Prachteinbände
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Signatur Clm 10077#Einband
Maße 255 mm x 175–180 mm x 95 mm
Datierung 1. Hälfte 14. Jh.
Ort Mitteleuropa: Frankreich
Objekttyp Elfenbeineinband
Katalogisierungsebene Gesamtaufnahme (item)
Klassifizierung Kategorie:Goldschmiedekunst
Kategorie Kategorie:Westliche_Prachteinbände

Beschreibung: Caroline Smout. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.


Den formalen wie historischen Kern dieses mittelalterlichen Prachteinbandes bilden zwei Elfenbeintafeln aus der Palastschule Karls des Kahlen, die Bestandteile des ursprünglichen Handschrifteneinbandes sind. Überarbeitet wurde dieser in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts: Die als Spolien verwendeten Elfenbeintafeln sind von Rahmenleisten und Randstreifen aus gestanztem und vergoldetem Silberblech umgeben, die gemäß ihrer ornamentalen Gestalt französische Arbeiten der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts und womöglich des späten 13. Jahrhunderts sind.

Informationen zum Trägerband

Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 10077 : Sakramentar mit Ritualeanhang, Deutschland, vermutlich Corvey, vor 983.


Entstehung

Unbekannter Künstler, Goldschmied, 1. Hälfte 14. Jh. Mitteleuropa: Frankreich


Komponenten

Vorderdeckel:

4 Leisten aus gestanztem Silberblech

8 Randstreifen aus gestanztem und vergoldetem Silberblech


Vorderkante:

1 Streifen aus Silberblech


Rückdeckel:

4 Leisten aus gestanztem Silberblech

8 Randstreifen aus gestanztem und vergoldetem Silberblech


Vorderkante:

1 Streifen aus Silberblech


Spolien (separate Beschreibungen verlinkt):

1 Elfenbeintafel (3. Viertel 9. Jh.)


Maße

Gesamt:

255 mm x 175–180 mm x 95 mm


Vorderdeckel:

255 mm x 175–180 mm x 10–11 mm


Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung.


Rahmen:

Obere Leiste: 176 mm x 34 mm, untere Leiste: 172 mm x 35 mm, linke Leiste: 185 mm x 53 mm, rechte Leiste: 185 mm x 50 mm. Randstreifen aus vergoldetem Silberblech: äußere senkrechte: ca. 250 mm x 10 mm, innere senkrechte: ca. 185 mm x 10 mm, äußere waagerechte: 172–176 mm x 10 mm, innere waagerechte: ca. 90 mm x 10 mm.


Rückdeckel:

253–256 mm x 177–180 mm x 10–11 mm


Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung.

Rahmen: obere Leiste: 178 mm x 35 mm, untere Leiste: 175 mm x 30–34 mm, linke Leiste: 182 mm x 54 mm, rechte Leiste: 182 mm x 54 mm. Randstreifen aus vergoldetem Silberblech: äußere senkrechte: ca. 250 mm x 10 mm, innere senkrechte: ca. 182 mm x 10 mm, äußere waagerechte: 175–178 mm x 10 mm, innere waagerechte: ca. 90 mm x 10 mm.


Rücken:

257 mm x 95 mm


Material und Technik

Vorderdeckel:

Die Leisten aus gestanztem Silberblech sind außen auf einen durchgehenden, dreiseitig umlaufenden Silberblechstreifen, der um die Vorderkanten gelegt ist, genagelt, innen auf den Holzdeckel. Die Randstreifen wiederum sind mit Nägeln auf den Leisten angebracht. Zur Elfenbeintafel siehe die separate Beschreibung.


Rückdeckel:

Wie Vorderdeckel


Rücken:

Alaungegerbtes Schafleder, mit 30 Eisennägeln am Vorder- und 28 am Rückdeckel befestigt.


Beschreibung des Äußeren

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung.


Rahmen:

Das Mittelfeld ist umgeben von Rahmenleisten, die links und rechts mit vergoldeten Randstreifen versehen sind (Abb. 1). Während die Rahmenleisten mit Weinblattranken, die von Perlstäben gesäumt sind, verziert sind, zeigen die Randstreifen aus vergoldetem Silberblech Fadenranken mit vegetabilem Besatz, die ebenfalls von Perlstäben flankiert sind.



Rückdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung der Elfenbeintafel.


Rahmen:

Wie Vorderdeckel


Rücken:

Schafleder mit Eisennägeln in dichter Reihung am Holz des Vorder- und Rückdeckels; vier Signaturschildchen: Cim. 143, Cod. lat. 10077, Pal. Mann. 77, A 352 (Signaturen auch auf dem vorderen Spiegel). (Vgl. zu den Signaturen Kellner/Spethmann, Historische Kataloge der bayerischen Staatsbibliothek (1996), 264).


Überarbeitungsstadien

Vorder- und Rückdeckel:

Auf Vorder- und Rückspiegel sowie dem nachfolgenden bzw. vorausgehenden Blatt finden sich an den Blatt- und Falzkanten grüne Verfärbungen, teilweise mit Ausbrüchen, die auf kupferhaltige Nägel zurückgehen. Sie weisen auf eine ältere Gestaltung des Einbandes hin. Denn der gegenwärtige Einband ist ausschließlich mit Silbernägeln befestigt, zudem korrespondieren diese nicht mit den Stellen der Verfärbungen (siehe dazu Eckstein, Der Einband des Sakramentars (2017), 20).


Rücken:

Eine Reparatur von Heftung, Kapital und Bezug erfolgte wohl im Zusammenhang der Neugestaltung der Deckel im 14. Jh. (vgl. Eckstein, Der Einband des Sakramentars (2017), 22). Angesichts der Fragmente des mehrfarbigen textilen Gewebes (s. dazu unten Zustandsberichte: Rahmen) stellt sich die Frage, ob es im 14. Jh. als Rückenbezug neu eingesetzt wurde – womöglich aus anderem Zusammenhang stammend –, oder ob es dem ursprünglichen Einband zuzurechnen ist. Der gegenwärtige Lederrücken dürfte aus dem 18. Jh. stammen, worauf die „Art der Bundreparatur und der Befestigung des Leders am Deckel weisen“; hierbei „war das Gewebe entweder stark beschädigt oder fehlte bereits“ (Eckstein, Der Einband des Sakramentars (2017), 22, 16). Zur Ausstellung „Pracht auf Pergament – Schätze der Buchmalerei von 780 bis 1180“, die die Bayerische Staatsbibliothek zusammen mit der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung im Winter 2012/2013 gezeigt hat, wurde der Rücken konservatorisch wie restauratorisch bearbeitet. Die „gelockerte Reparaturheftung [wurde] ausgelöst, um den Buchblock in der Folge adäquat zu stabilisieren und ein Reiben der Miniaturen gegeneinander in Zukunft zu vermeiden. Der übrige Befund konnte minimalinvasiv gesichert und weitestgehend unverändert beibehalten bleiben.“ (Eckstein, Der Einband des Sakramentars (2017), 22f.).


Zustandsberichte

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung der Elfenbeintafel.


Rahmen:

Die vegetabile Ornamentik auf der Rahmenleiste ist teilweise abgerieben, auf dem Vorderdeckel sind an zwei Stellen größere Stück des Silberblechs herausgebrochen. Das vergoldete Silberblech der Randstreifen ist an den Kanten partiell abgebrochen oder umgeknickt, zudem fehlt an einigen Stellen das vergoldete Silberblech gänzlich. An einer Fehlstelle des Silberblechs und an der Kante zum Buchrücken sind Fragmente eines älteren Textil-Bezuges sichtbar. Es handelt sich um ca. 10 mm breite Streifen aus gelben, weißen und blauen Fäden in einer „Körper-Schuß-Kompositbindung […], die als Gewebe Samit vermuten lässt“ (Eckstein, Der Einband des Sakramentars (2017), 16).


Vorderkante:

An der oberen Schließenposition befindet sich ein Loch (Durchmesser 1 mm), wohingegen an der unteren ein Loch mit einem abgebrochenen Silberstift erhalten ist; beide Löcher sind von einem runden Abdruck (Durchmesser 6, 5 mm) umgeben. Hier könnte eine kleine Stiftöse mit einer kleinen Metallkappe als Halterung für eine Ganzmetall- oder Riemenschließe angebracht gewesen sein. Die eine wie die andere Form muss am Ende mit einer Metallöse versehen gewesen sein, die um den Dorn an der Vorderkante des Rückdeckels gelegt wurde. Auf der Deckelaußenseite gibt es keine Hinweise auf die ursprüngliche Anbringung einer Schließe. (S. Eckstein, Der Einband des Sakramentars (2017), 20).


Rückdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung der Elfenbeintafel.


Rahmen:

Die vegetabile Ornamentik auf der Rahmenleiste ist teilweise abgerieben. Das vergoldete Silberblech der Randstreifen ist an den Kanten partiell abgebrochen oder umgeknickt, zudem fehlt an einigen Stellen das vergoldete Silberblech gänzlich.


Vorderkante:

Zwei profilierte, gegossene Dorne aus Silber (Durchmesser 3 mm).


Ikonographie

Vorder- und Rückdeckel:

Siehe separate Beschreibung der Elfenbeintafel.


Stil und Einordnung

Vorder- und Rückdeckel:

Der Einband dürfte in der 1. Hälfte des 14. Jahrhundert in Frankreich entstanden sein (vgl. Bauer, Corvey oder Hildesheim (1977), 65; Klemm, Die ottonischen und frühromanischen Handschriften (2004), 243; Prachteinbände 870–1685 (2001), Nr. 14 (B. Hernad). Eine erstmals nähere Einordnung erfolgte durch Eckstein, Der Einband des Sakramentars (2017), 19f., auf deren Vergleiche ich mich im Folgenden beziehe). Denn die Weinblattranken auf den Rahmenleisten mit ihrer Dreizahl fünflappiger Blätter, die aus den eingerollten Ranken hervorgehen (Abb. 2), weisen stilistische Analogien zu jenen auf, die sich in Handschriften finden, die im ausgehenden 13. und der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Paris entstanden sind (vgl. London, British Library, ms. Add. 17341 (4.Viertel des 13. Jh.), z. B. fol. 82v, 12v , Paris, Bibliothèque Nationale, fr. 2090 (1317), z. B. fol. 9r, 18r , Paris, Bibliothèque Nationale, latin 1288 (um 1334–1350), z. B. fol. 7v, 18r ).

Hinsichtlich Form und Stil der Fadenranken mit vegetabilem Besatz auf den Randstreifen (Abb. 3) bestehen ebenfalls Entsprechungen zur französischen Buchmalerei, die jedoch etwas älter ist: aus der zweiten Hälfte und insbesondere dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts (vgl. Paris, Bibliothèque Nationale, latin 10434 (Mitte 13. Jh.), z. B. fol. 12r ).



Ob die Rahmenleisten und schmalen Randstreifen zeitgleich produziert oder die Rahmenleisten abgestimmt auf die Randstreifen als älterem Material hergestellt wurden, oder ob beide unabhängig voneinander entstanden sind, lässt sich nicht sicher feststellen. Denn während sich bei den senkrechten Rahmenleisten die Randstreifen durchaus einpassen, ist dies bei den waagerechten nicht der Fall.

Zu den Elfenbeintafeln siehe die separate Beschreibung.


Provenienz

Der Entstehungs- wie Bestimmungsort der vor 983 entstandenen Handschrift sind umstritten, wobei Corvey wahrscheinlich ist (vgl. Pracht auf Pergament (2012), Nr. 14 (Hernad); vgl. zum Forschungsstand Winterer, Fuldaer Sakramentar (2009), Nr. 9). Womöglich gelangte die Handschrift für kurze Zeit in ein Damenstift (Hinweise durch Nachträge im Kalender und nachgetragene Benediktionen), bevor sie im 11. Jh. in Verdun war (Hinweise durch spätere Einträge im Kalender) (vgl. Lehmann, Corveyer Studien (1962), 140–142; Hoffmann, Das Skriptorium von Essen (1993), 121, Anm. 25). Bis ins 18. Jh. gehörte die Handschrift zum Bestand des Domschatzes der Kathedrale Notre-Dame in Verdun (vgl. Aimond, La cathédrale de Verdun (1909), 212–216). 1790 Erwerbung durch Nicolas Maillot de la Treille, Bibliothekar Kurfürst Karl Theodors von der Pfalz, aus dem Domschatz von Verdun für die Bibliotheca Palatina in Mannheim (vgl. Hauke/ Remak-Honnef, Katalog der lateinischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München (1991), XIf.). Von dort gelangte die Handschrift 1803/1804 in die Münchner Hofbibliothek.


Literaturhinweise

Eckstein, Der Einband des Sakramentars aus dem Domschatz von Verdun (2017), 12–26.

Gaborit-Chopin, Elfenbeinkunst im Mittelalter (1978), Nr. 58.

Gaborit-Chopin, Les trois fragments d’ivoire (1995), 53–56.

Goldschmidt, Die Elfenbeinskulpturen, Bd. 1 (1914), Nr. 67.

Kahsnitz, Sakramentar aus dem Domschatz (1993), Nr. V-54.

Klemm, Die ottonischen und frühromanischen Handschriften (2004), Nr. 224.

Prachteinbände 870–1685 (2001), Nr. 14 (B. Hernad).


Empfohlene Zitierweise

Caroline Smout. Elfenbeineinband zum Sakramentar - BSB Clm 10077#Einband. Bayerische Staatsbibliothek, 2017.

URL: https://einbaende.digitale-sammlungen.de/Prachteinbaende/Clm_10077_Einband_Hauptaufnahme, aufgerufen am 09.11.2024