Clm 837 Einband Spolie Elfenbeinschnitzerei: Unterschied zwischen den Versionen

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== Zustandsberichte ==
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'''Vorderdeckel''':
''Mittelfeld'':
Das Elfenbeinmedaillon ist leicht beschädigt: Am Rand Risse, im Feld fehlen Stücke der Arma Christi (Lanze und Stabe mit dem Schwamm) und ein Evangelistensymbol (am rechten Kreuzbalken der Stier als Symbol des Lukas).
Das Elfenbeinmedaillon ist leicht beschädigt: Am Rand Risse, im Feld fehlen Stücke der Arma Christi (Lanze und Stabe mit dem Schwamm) und ein Evangelistensymbol (am rechten Kreuzbalken der Stier als Symbol des Lukas).


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== Ikonographie ==
== Ikonographie ==
'''Vorderdeckel:'''


''Mittelfeld'':
Das Elfenbeinmedaillon zeigt die Kreuzigung Christi: Links und rechts vom Kreuz, das den Gekreuzigten in frontaler Ansicht jugendlich und aufrecht stehend darbietet, sind Longinus und Stephaton dargestellt. Im Dreiviertelprofil gegeben, wenden sie sich dem Gekreuzigten zu, wobei sie mit weitschweifiger Armgebärde Lanze und Schwamm auf dem Ysopstab auf ihn richten: Stephaton, um Christus den Essigschwamm zu reichen, Longinus, um das Herz Jesu zu öffnen. Stephaton hält in seiner Rechten zudem den Eimer. Auf dem linken und rechten Kreuzesarm befinden sich in Medaillons die Personifikationen von Sol und Luna als Halbfiguren. Beide erscheinen in Wolkenformationen gehüllt, während von Sol Strahlen ausgehen und Luna eine Fackel hält. An den Enden der Kreuzesbalken sind die vier Evangelistensymbole angebracht (unten die menschliche Figur des Matthäus, links der Löwe des Markus, oben der Adler des Johannes, der Stier des Lukas fehlt rechts).
Das Elfenbeinmedaillon zeigt die Kreuzigung Christi: Links und rechts vom Kreuz, das den Gekreuzigten in frontaler Ansicht jugendlich und aufrecht stehend darbietet, sind Longinus und Stephaton dargestellt. Im Dreiviertelprofil gegeben, wenden sie sich dem Gekreuzigten zu, wobei sie mit weitschweifiger Armgebärde Lanze und Schwamm auf dem Ysopstab auf ihn richten: Stephaton, um Christus den Essigschwamm zu reichen, Longinus, um das Herz Jesu zu öffnen. Stephaton hält in seiner Rechten zudem den Eimer. Auf dem linken und rechten Kreuzesarm befinden sich in Medaillons die Personifikationen von Sol und Luna als Halbfiguren. Beide erscheinen in Wolkenformationen gehüllt, während von Sol Strahlen ausgehen und Luna eine Fackel hält. An den Enden der Kreuzesbalken sind die vier Evangelistensymbole angebracht (unten die menschliche Figur des Matthäus, links der Löwe des Markus, oben der Adler des Johannes, der Stier des Lukas fehlt rechts).




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== Stil und Einordnung ==
== Stil und Einordnung ==
'''Vorderdeckel:'''
''Mittelfeld'':
Die Komposition ist aus verschiedenen Bildquellen zusammengesetzt.
Die Füße Christi stehen auf dem Suppedaneum, das in zahlreiche Schüsselfalten gelegte Lendentuch reicht bis zu den Knien und ist in der Mitte durch einen Knoten verschlungen. Der Typus der Christusgestalt ist Arbeiten der Metzer Schule entlehnt, und zwar einem Vorbild, das innerhalb der Gruppe eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Auf dem Elfenbein des Deckels von  lat. 9383 [Paris, BN] (Kat. Nr. 33) trägt Christus - byzantinischer Eigenart folgend - den in der Mitte geknoteten Schurz, die Anatomie des Körpers ist scharf durchgeformt; im Gegensatz dazu steht die weiche Modellierung der Figur in München.
Longinus und Stephaton sind den gleichen Figuren auf dem Liuthard-Elfenbein in München (Kat. Nr. 50 – Clm 4452) verwandt .  Ähnlichkeit besteht ferner eher zur Kreuzigungsgruppe auf dem Einband von Clm 4456 (Kat. Nr. 60). T. Buddensieg datiert diese auf 3. Jahrzehnt des 11. Jh. nach Fulda (Steenbock, S. 149).
Die Wiedergabe von Sol und Luna nach antiker Art als Halbfiguren mit Fackeln ist beiden Schulen [Liuthard-Gruppe und Metz] geläufig. Ungewöhnlich ist das Auftreten der Evangelistensymbole. Nur auf dem genannten Metzer Elfenbein in Paris [lat. 9383 [Paris, BN] (Kat. Nr. 33)] sind die Symbole als Begleiter der vier Evangelisten dem Kreuzigungsbild zugefügt, während sie auf der Adalbero-Platte in Metz anthropomorphe Gestalt angenommen haben (vgl. Kat. Nr. 33).
''Vermischung der Stilelemente'':
Die glatte Modellierung, die Bodenbehandlung sowie die Bewegungs- oder Faltenmotive rücken das Werk in die Nähe der Liuthard-Gruppe. Dagegen erinnern das kontinuierlich sich aus der Fläche entwickelnde Relief, die Stilisierung der Wolkenbänke von Sol und Luna oder die Durchbildung des Schurzes Christi mehr an Arbeiten aus dem Umkreis der Metzer Schule. In der »Qualität des Stiles« (Goldschmidt) stehen vier kleine Täfelchen des Berliner Museums (Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, I, Nr. 52-55,Taf. XXIII) sehr nahe, die als Ausläufer der Liuthard-Gruppe bezeichnet werden. Weitzmann (op. cit., S. 14 ff.) lokalisierte diese, meist der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts angehörenden Elfenbeine, in Fulda aufgrund der vielfachen Beziehungen zu der dort entstandenen Buchmalerei (Steenbock 1965, Nr. 53, S. 137).
Weitzmann, Fuldaer Elfenbeingruppe, 1935, S. 17: Fuldaer-Gruppe weist gegenüber der Liuthard-Gruppe eine größere Massigkeit und voluminösere Gestaltung der Figuren auf.


Die Darstellung des gekreuzigten Christus dürfte auf eine Vorlage zurückgehen, die der Metzer Schule angehört: die Elfenbeintafel auf dem Einband von lat. 9383 der [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b550056550/f1.item Bibliothèque Nationale] in Paris. Hinzuweisen ist insbesondere auf das in zahlreiche Schüsselfalten gelegte Lendentuch, das – byzantinischer Art folgend – bis zu den Knien reicht und in der Mitte durch einen Knoten verschlungen ist. Allerdings unterscheidet sich die Gestaltung der Körper Christi: Während der Körper im Münchner Elfenbein weich modelliert ist, tritt in der Pariser Tafel die in scharfen Linien ausgeformte Anatomie markant hervor (Steenbock 1965, Nr. 53, S. 137). Auch finden sich in der Darstellung von Sol und Luna und den vier Evanglistensymbolen Analogien zu dem Pariser Elfenbein; nur in diesen beiden besteht diese Verbindung, in der Sol und Luna den vier Evangelisten begleitend zur Seite gestellt und der Kreuzigung hinzugefügt sind (vgl. Steenbock 1965, Nr. 33 zur Adalbero-Platte, wo Sol und Luna in anthropomorpher Gestalt erscheinen).


Hinsichtlich der stilistischen Einordnung lässt sich eine Vermischung verschiedener Stilelemente beobachten. So erinnern Frauke Steenbock zufolge „das kontinuierlich sich aus der Fläche entwickelnde Relief, die Stilisierung der Wolkenbänke von Sol und Luna oder die Durchbildung des Schurzes Christi […] an Arbeiten aus dem Umkreis der Metzer Schule“ (Steenbock 1965, Nr. 53, S. 137). Die weiche Modellierung der Figuren, die Form ihrer Bewegung sowie die Faltengebung und die Gestaltung des Bodens lassen hingegen an Werke der Liuthard-Gruppe denken (vgl. Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, 1914, Nr. 56). Goldschmidt sieht aufgrund der „Qualität des Stiles“ eine Nähe zu vier Täfelchen aus Berlin, die er als Ausläufer der Liuthard-Gruppe bezeichnet (Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, 1914, Nr. 52–55). Weitzmann wiederum lokalisierte diese Elfenbeintafeln, die größtenteils in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts datiert werden, nach Fulda (Weitzmann, Fuldaer Elfenbeingruppe, 1935, S. 14–17). 


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== Literaturhinweise ==


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Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, 1914, Nr. 56
Weitzmann, Fuldaer Elfenbeingruppe, 1935, S. 16
Steenbock, Prachteinband, 1965, Nr. 53.
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Version vom 25. Januar 2018, 14:02 Uhr

Übersicht
Signatur Clm 837#Einband
Maße 93 mm Durchmesser
Datierung 2. Hälfte 10. Jh.
Ort Mitteleuropa: Fulda
Objekttyp Elfenbeinschnitzerei
Katalogisierungsebene Component
Klassifizierung Kategorie:Schnitzkunst
Kategorie Sculpture/European Art, reliefs (sculpture) (AAT-ID: 300047230)


Beschreibung: Caroline Smout, 2017


Das karolingische Elfenbeinrelief wurde als Spolie zur Dekoration des Einbandes des Goslaer Evangeliars verwendet Clm 837#Einband


Informationen zum Trägerband

Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 837: Evangeliar, Deutschland, Goslar, 1014


Entstehung

Nähe zur Liuthard-Gruppe und zur Metzer Schule, 2. Hälfte 10. Jh. Mitteleuropa: Fulda



Maße

Elfenbein: 93 mm Durchmesser



Material und Technik

Durchbrochen gearbeitetes Elfenbeinmedaillon, mit sechs Häkchen auf einer Platte aus vergoldetem Silberblech befestigt.


Beschreibung des Äußeren

Das Medaillon zeigt eine figürliche Szene gleichsam im Hochrelief.




Zustandsberichte

Das Elfenbeinmedaillon ist leicht beschädigt: Am Rand Risse, im Feld fehlen Stücke der Arma Christi (Lanze und Stabe mit dem Schwamm) und ein Evangelistensymbol (am rechten Kreuzbalken der Stier als Symbol des Lukas).


Ikonographie

Das Elfenbeinmedaillon zeigt die Kreuzigung Christi: Links und rechts vom Kreuz, das den Gekreuzigten in frontaler Ansicht jugendlich und aufrecht stehend darbietet, sind Longinus und Stephaton dargestellt. Im Dreiviertelprofil gegeben, wenden sie sich dem Gekreuzigten zu, wobei sie mit weitschweifiger Armgebärde Lanze und Schwamm auf dem Ysopstab auf ihn richten: Stephaton, um Christus den Essigschwamm zu reichen, Longinus, um das Herz Jesu zu öffnen. Stephaton hält in seiner Rechten zudem den Eimer. Auf dem linken und rechten Kreuzesarm befinden sich in Medaillons die Personifikationen von Sol und Luna als Halbfiguren. Beide erscheinen in Wolkenformationen gehüllt, während von Sol Strahlen ausgehen und Luna eine Fackel hält. An den Enden der Kreuzesbalken sind die vier Evangelistensymbole angebracht (unten die menschliche Figur des Matthäus, links der Löwe des Markus, oben der Adler des Johannes, der Stier des Lukas fehlt rechts).


Stil und Einordnung

Die Darstellung des gekreuzigten Christus dürfte auf eine Vorlage zurückgehen, die der Metzer Schule angehört: die Elfenbeintafel auf dem Einband von lat. 9383 der Bibliothèque Nationale in Paris. Hinzuweisen ist insbesondere auf das in zahlreiche Schüsselfalten gelegte Lendentuch, das – byzantinischer Art folgend – bis zu den Knien reicht und in der Mitte durch einen Knoten verschlungen ist. Allerdings unterscheidet sich die Gestaltung der Körper Christi: Während der Körper im Münchner Elfenbein weich modelliert ist, tritt in der Pariser Tafel die in scharfen Linien ausgeformte Anatomie markant hervor (Steenbock 1965, Nr. 53, S. 137). Auch finden sich in der Darstellung von Sol und Luna und den vier Evanglistensymbolen Analogien zu dem Pariser Elfenbein; nur in diesen beiden besteht diese Verbindung, in der Sol und Luna den vier Evangelisten begleitend zur Seite gestellt und der Kreuzigung hinzugefügt sind (vgl. Steenbock 1965, Nr. 33 zur Adalbero-Platte, wo Sol und Luna in anthropomorpher Gestalt erscheinen).

Hinsichtlich der stilistischen Einordnung lässt sich eine Vermischung verschiedener Stilelemente beobachten. So erinnern Frauke Steenbock zufolge „das kontinuierlich sich aus der Fläche entwickelnde Relief, die Stilisierung der Wolkenbänke von Sol und Luna oder die Durchbildung des Schurzes Christi […] an Arbeiten aus dem Umkreis der Metzer Schule“ (Steenbock 1965, Nr. 53, S. 137). Die weiche Modellierung der Figuren, die Form ihrer Bewegung sowie die Faltengebung und die Gestaltung des Bodens lassen hingegen an Werke der Liuthard-Gruppe denken (vgl. Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, 1914, Nr. 56). Goldschmidt sieht aufgrund der „Qualität des Stiles“ eine Nähe zu vier Täfelchen aus Berlin, die er als Ausläufer der Liuthard-Gruppe bezeichnet (Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, 1914, Nr. 52–55). Weitzmann wiederum lokalisierte diese Elfenbeintafeln, die größtenteils in die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts datiert werden, nach Fulda (Weitzmann, Fuldaer Elfenbeingruppe, 1935, S. 14–17).


Literaturhinweise

Goldschmidt, Elfenbeinskulpturen, 1914, Nr. 56

Weitzmann, Fuldaer Elfenbeingruppe, 1935, S. 16

Steenbock, Prachteinband, 1965, Nr. 53.