Goldschmiedeeinband mit Reliquien zur Mettener Armenbibel - BSB Clm 8201#Einband, Vorderdeckel

Aus Prachteinbände
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Übersicht
Signatur Clm 8201#Einband
Maße 505 mm x 355 mm x 78 mm
Datierung 1414 - 1415
Ort Region um Regensburg
Objekttyp Goldschmiedeeinband
Katalogisierungsebene Gesamtaufnahme (item)
Klassifizierung Kategorie:Goldschmiedekunst
Kategorie Westliche Prachteinbände

Beschreibung: Bayerische Staatsbibliothek, Caroline Smout 2017

Der Goldschmiedeeinband dieses Plenarreliquiars, der um 1414/1415 zu datieren ist, stellt – anders als lange Zeit angenommen – kein einheitliches Werk dar. Das Zentrum des Einbandes bildet eine Paxtafel, die um 1340 in Regensburg entstanden ist und in der Tradition mittelalterlicher Prachteinbände, wie dem Codex Aureus von St. Emmeram in Regensburg, steht. So kann der Goldschmiedeeinband zu dem Geistlichen Kompendium als ,Codex Aureus des Klosters Metten‘ bezeichnet werden.

Informationen zum Trägerband

Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 8201 : Geistliches Kompendium, Deutschland, Metten (?), um 1414/1415


Entstehung

Unbekannter Künstler, Goldschmied, um 1414/1415. Mitteleuropa: Bayern, Region Regensburg


Komponenten

Vorderdeckel:

12 Platten aus vergoldetem Silberblech

9 transluzide Silberemails

4 Rahmenleisten aus vergoldetem Silberblech

55 Fassungen

13 Rubine

2 Bergkristalle

25 Schmucksteine


Vorderkante:

Papier


Schließen:

2 Ösenverschlüsse mit 1 Schließe


Rückdeckel:

4 Metallbeschläge (18. Jahrhundert)


Schließen:

2 Scharnierplatten (18. Jahrhundert)


Spolien (siehe separate Beschreibung):

16 vergoldete Silberplättchen:

4 davon mit getriebenen Medaillons aus vergoldetem Silberblech

4 davon mit Glas- oder Hornscheiben (als Reliquienkapseln)

8 davon mit transluziden Silberemails

7 gestanzte vergoldete Silberbleche

1 Figur aus getriebenem und graviertem vergoldetem Silber

4 Rahmenleisten aus gestanztem vergoldetem Silberblech


Maße

Gesamt:

505 mm x 355 mm x 78 mm


Vorderdeckel:

505 mm x 355 mm x 44 mm


Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung


Mittelfeldbegrenzung:

Siehe separate Beschreibung


Rahmen:

505 mm x 335 mm x 101 mm (oben und unten) und 67 mm (links und rechts). Großformatige Platten oben und unten: 140–145 mm x 102 mm, kleinformatige Platten links und rechts: 94–105 mm x 68–70 mm, Eckmedaillons: 32–33 mm x 32–33 mm


Rückdeckel:

507 mm x 350 mm x 9 mm


Rücken:

505 mm x 78 mm


Material und Technik

Vorderdeckel:

Der Holzdeckel ist aus mehreren Brettern zusammengesetzt.


Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung


Mittelfeldbegrenzung:

Siehe separate Beschreibung


Rahmen:

Die Platten aus vergoldetem Silber sind mit mehreren Nägeln angebracht. Die Trennleisten der einzelnen Bleche sind extra gearbeitet und aufgelötet, ebenso wie der ornamentale Fries an den Außenkanten der Bleche. Die Emailplättchen auf dem Rahmen sind jeweils in den Ecken mit Nägeln befestigt.


Rückdeckel:

Kalbsleder mit Rollen- und Plattenstempeln und Goldpressung. Eckbeschläge und Scharnierplatten der Schließen aus Messing mit ornamentaler Gravur.


Rücken:

Kalbsleder


Beschreibung des Äußeren

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung


Mittelfeldbegrenzung:

Siehe separate Beschreibung


Rahmen:

In den Ecken, in der oberen Rahmenleiste auch in der Mitte, sind mit Perlleisen gerahmte Plättchen montiert, die figürliche Darstellungen zeigen. Zudem sind zwei Steine und zwei Bergkristalle, die von unterschiedlichen Fassungen gehalten werden, angebracht.


Goldschmuck/Filigran/etc.:

An der Innen- und Außenseite der Platten, die den äußeren Rahmen bilden, verläuft ein ornamentaler Fries aus stilisiertem kreuzförmigem Blattwerk.


Fassungen:

Die Zargenfassungen sind unmittelbar auf dem Grund aufgenietet. Sie weisen an der Unterkante Einkerbungen auf, aus denen ein leicht nach außen gebogenes Zahnband gebildet ist (Abb. 1 und Abb. 2). Bei den beiden Fassungen der großen Steine ist die Oberkante mit v-förmigen Einkerbungen versehen, wodurch ein Zahnband gebildet ist (Abb. 1). Eine abgeknickte Fassungskante haben die beiden Fassungen der kleineren Steine (Abb. 2).



Vorderkante:

Die Kanten des Vorderdeckels sind mit olivgrünem Papier beklebt.


Rückdeckel:

Durch die Rollenstempel mit den goldenen Pressornamenten ist der Rückdeckel in Mittelfeld, Mittelfeldbegrenzung und Rahmen gegliedert. Die Ecken des Mittelfeldes sind mit dem ornamentalen Hauptmotiv in je fünffacher Ausführung gefüllt (Abb. 3): Eine halbe Ranke, mit Blättern und kleinen Spiralen, die an ihrem Ende eine sechsteilige Blüte einschließt. Aus diesem Motiv ist auch das zentrale rautenförmige Ornament (Abb. 4) gebildet, das dort mehrfach in gespiegelter und gedoppelter Form erscheint. Kreuzförmig formen sich die gedoppelten Ranken um einen im Zentrum platzierten ovalen Lorbeerkranz mit jeweils zwei Sternen oben und unten.

Der Rahmen der Mittelfeldbegrenzung wie der äußere Rahmen zeigen eine andere Ornamentik (Abb. 5): Zwei wellenförmig verlaufende Bänder, die sich überschneiden und in ihren mandelförmigen Binnenfeldern jeweils eine sechsteilige Blüte und zwei Blätter einschließen. Verbunden sind die beiden Rahmen durch diagonal verlaufende Ornamentleisten in den Ecken.

Die vier dreieckigen Eckbeschläge (Abb. 5) sind jeweils an der nach innen zeigenden Seite durch einen Zwiebelornamentumriss verformt und mit Bandelwerkranken graviert.



Schließen:

2 Ösenverschlüsse mit dem Dorn an der Vorderkante des Vorderdeckels als Ganzmetallschließe (Adler, Handbuch Buchverschluss (2010), BV.2.1.3.). In die Ganzmetallschließe aus Messing ist eine achtteilige Blüte eingraviert. Die Scharnierplatten auf dem Rückdeckel sind in Form von drei kreuzförmig angeordneten Zwiebeln gestaltet und zeigen dieselbe Gravur wie die Eckbeschläge (Bandelwerkranken).


Rücken:

Braunes Kalbsleder, 7 Bünde mit Resten von Goldprägung, drei Signaturschildchen: Cod. lat. 8201, Cim 171. Das dritte ist nur zur Hälfte erhalten: Cod. c.p. (= cum picturis) 9 (nicht weiter lesbar)


Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung


Mittelfeldbegrenzung:

Siehe separate Beschreibung


Rahmen:

In Bezug auf den Rahmen dürfte das Dedikationsgedicht des Abtes Peter auf fol. 1r zu lesen sein, in dem er schreibt, er habe die Handschrift mit Edelsteinen und Reliquien ausgestattet: He reliquie in hoc libro sunt recondite: de spinea corona Christi, de lapide domini, de presepio domini, de lapide in quo crux Christi fuit, de pisis in lapides conversis, oleum sancte Marie; apostolorum: de baculo sancti Petri, de cruce sancti Andree, Bartholomei apostoli; martyrum: decem milium militum et martirum, Bonifatii martiris, Magni martiris, Savini episcopi et martiris; confessorum: Anastasii episcopi, de costa sancti Benedicti, de costa sancti Uttonis; virginum: de crinibus sancte Magdalene, Katherine virginis et martiris, Ursule virginis, undecim milium virginum, de vestimento et crine sancte Agnetis, Clementie virginis, Eonomie virginis et martiris, Aufrede virginis et martiris, Preclare virginis, Verene virginis, Foramine virginis, Valerie virginis.


Überarbeitungsstadien

Rückdeckel:

Komplett erneuert im 18. Jahrhundert.


Zustandsberichte

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung


Mittelfeldbegrenzung:

Siehe separate Beschreibung


Rahmen:

Die zahlreichen Nägel auf den Platten füllen die Löcher, in denen ursprünglich die Fassungen mit dem ornamentalen Steinbesatz befestigt waren. Auf den ursprünglichen Besatz des Rahmens mit Schmucksteinen verweist auch das Dedikationsgedicht auf fol. 1r (siehe oben unter „Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen“), indem sich die erwähnte Ausstattung mit Edelsteinen auf den Rahmen beziehen lassen dürfte. Vom Steinbesatz sind nur zwei Steine erhalten, die beiden Bergkristalle sind neuzeitlich. Im mittleren und rechten Silberemail der oberen Rahmenleiste sowie im linken der unteren Rahmenleiste ist das Email partiell abgesplittert; im Plättchen rechts unten ist das Email komplett verloren gegangen.


Vorderkante:

Die obere Schließe ist nicht mehr am Einband befestigt, ist aber erhalten und wird mit der Handschrift aufbewahrt. Sie entspricht in ihrer äußeren Gestalt der unteren Schließe. An zahlreichen Stellen weist das olivgrüne Papier Fehlstellen auf oder ist beschädigt.


Rückdeckel:

Das Leder ist an einigen Stellen abgerieben, zum Buchrücken hin gibt es einige Fehlstellen, die auch die ornamentale Goldpressung betreffen. Partiell sind die Fehlstellen überarbeitet, wobei die Goldpressung überdeckt wurde. Auch die Goldpressung im Mittelfeld ist beschädigt.


Rücken:

An Kopf und Fuß fehlen Teile des Lederbezugs. Ebenso finden sich Fehlstellen und Abreibungen auf den Bünden, wo dementsprechend die Goldpressung nur noch partiell erhalten ist.


Ikonographie

Vorderdeckel:

Mittelfeld:

Siehe separate Beschreibung


Mittelfeldbegrenzung:

Siehe separate Beschreibung


Rahmen:

Die vier emaillierten Plättchen in den Ecken zeigen die vier Evangelistensymbole in Vierpässen: Oben links der Löwe für Markus (Abb. 6), oben rechts der Stier für Lukas (Abb. 7), unten links der Mensch für Matthäus (Abb. 8) und unten rechts der Adler für Johannes (Abb. 9). Die Symbole von Markus und Johannes wenden sich nicht der Mitte zu und müssten damit vertauscht werden, um den Zeremonialregeln zu entsprechen. Zu den Evangelisten in der Mittelfeldbegrenzung besteht aufgrund der Anordnung keine Verbindung. Das emaillierte Plättchen in der Mitte der oberen Rahmenleiste ist mit dem Lamm Gottes verziert.



Stil und Einordnung

Vorderdeckel:

Weder formal noch stilistisch bilden die figürlichen Darstellungen des Rahmens und der Mittelfeldbegrenzung eine Einheit.


Mittelfeld und Mittelfeldbegrenzung:

Siehe separate Beschreibung


Rahmen:

Die Emails unterscheiden sich sowohl in der Qualität als auch in der Technik. Im Gegensatz zu den Emails der Mittelfeldbegrenzung sind die Figuren ganz mit Email überzogen, das zudem in anderen Farben gestaltet ist (Karminrot, Rosaviolett, Preußischblau statt Ultramarin, Blaugrün statt Oliv). Auch divergiert der Zeichenstil, beispielsweise in der Gestaltung der Flügel. Ein Unterschied in der technischen Ausführung zeigt sich darin, dass der Untergrund der Emails des Rahmens ungleichmäßig aufgerauht ist (Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 58).

Die Zierstreifen aus stilisiertem kreuzförmigem Blattwerk an den Außen- und Innenkanten der Platten weisen eine Verwandtschaft mit Arbeiten aus dem Prager Domschatz auf, wie dem Reliquiar der Heiligen Katharina oder dem Prozessionskreuz, die vom Ende des 14. Jahrhunderts stammen (Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 60).


Rückdeckel und Rücken:

Rollen- und Plattenstempel sowie die Eckbeschläge und Schließen aus dem 18. Jahrhundert.


Provenienz

1803 gelangte die Handschrift im Zuge der Säkularisation aus der Abtei Metten in die Münchner Hofbibliothek.


Literaturhinweise

Suckale, Untersuchungen zu den Mettener Handschriften (1975), 5–10.

Suckale, Das geistliche Kompendium (1982), 7.

Thesaurus librorum (1983), Nr. 51 (H. Hauke).

Ratisbona sacra (1989), Nr. 112 (R. Suckale).

Außen-Ansichten (2006), Nr. 7 (B. Hernad).

Suckale, Klosterreform und Buchkunst (2012), 56–60.