Silbereinband zum Evangelistar - BSB Clm 10017#Einband
Übersicht | |
Signatur | Clm 10017#Einband |
Maße | 390 mm x 270 mm x 40 mm |
Datierung | 1490 - 1525 |
Ort | Mitteleuropa, Franken (Bamberg? / Nürnberg?) |
Objekttyp | Silbereinband |
Katalogisierungsebene | Gesamtaufname (item) |
Klassifizierung | Kategorie:Goldschmiedekunst |
Kategorie | Westliche Prachteinbände |
Kurzaufnahme zum Einband im BSB-Katalog mit weiterführenden Informationen |
Kurzaufnahme der Handschrift mit weiterführenden Informationen |
Link zur Forschungsdokumentation der BSB |
Handschriftendigitalisat |
Einbanddigitalisat |
Beschreibung: Bayerische Staatsbibliothek, Karl-Georg Pfändtner, 2016
Ende des 15. / Anfang des 16. Jhs. entstandender Silbereinband. Holzdeckel mit dunkelbraunem Lederüberzug, Goldprägung auf Rücken, hinterem Deckel (Bordüre) und Innenkanten der Deckel. Vorderdeckel mit Silberabdeckung und aufgesetzten silbernen, teilweise vergoldeten Figuren in Relief.
Informationen zum Trägerband
Überliefert mit: Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 10017: Evangelistar.
Entstehung
Der Silbereinband wurde zwischen 1490 und 1525 von einem unbekannten Goldschmied vermutlich in Franken (Bamberg?, Nürnberg?) geschaffen (Auftraggeber unbekannt).
Komponenten
Vorderdeckel:
1 Silberplatte
9 gegossene Silberfiguren
1 gegossene Figurengruppe
6 gedrehte Rahmenleisten
2 Schließen mit Schließenrasten
Maße
Vorderdeckel:
12 mm stark
Gerahmtes Silberblech: 355 mm x 240–242 mm x 1 mm
Höhe des gekordelten Rahmens: 7 mm
Tiefe der Figuren: bis zu 14 mm
Tiefe der Kronen: bis zu 15 mm
Höhe der Figuren: Adler: 85 mm x 77 mm, Ursula: 85 mm x 65 mm, Evangelistenengel: 82 mm x 73 mm, Philippus: 155 mm x 54 mm, Marienkrönung: 133 mm x 115 mm (einschließlich der Krone, ohne Taube), Jacobus: 158 mm x 55 mm, Löwe: 77 mm x 70 mm, Katharina: 92 mm x 64 mm, Stier: 85 mm x 73 mm.
Buchblock:
390 mm x 270 mm x 40 mm
Schließen:
35 mm x 13 mm
Material und Technik
Vorderdeckel:
Alle Figuren: gegossenes Silber, teilvergoldet
Dunkelrotes Glas
Rückdeckel:
Braunes Leder
Schließen:
feuervergoldetes Silber, gegossen
Beschreibung des Äußeren
Vorderdeckel:
Die silbernen, teilvergoldeten Figuren auf dünner Silberplatte angebracht. Die Figuren durch diese mit 14 Nägeln auf dem Hozdeckel befestigt. Im Kreuzstab vier Almandine oder dunkelrotes Glas.
Rahmen:
Gekordelter Rahmen
Der Rahmen ursprünglich mit 22, heute nur noch 21 Nägeln fixiert
Rückdeckel:
Dunkles Leder auf Holzdeckel
Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen
Einträge auf den Bändern der Evangelistensymbole SANCTUS IOHANNUS (!), SANCTUS MATHEUS, SANCTUS MARCUS, SANCTUS LUCKAs (!)
Überarbeitungsstadien
Der Silberbesatz wurde wohl ebenso wie die Goldprägung auf dem Rücken im 16. Jh. auf den Holzdeckel mit dunkelbraunem Lederüberzug angebracht. Die Heiligkeitstaube und die Nimben erst später.
Zustandsberichte
Gut.
Restaurierung
[IBR?]
Ikonographie
Vorderdeckel:
Im Zentrum Marienkrönung. Maria kniet zwischen dem thronenden Christus und Gottvater, die gemeinsam eine große Krone über ihr Haupt halten, darüber Geisttaube. Links und rechts davon der hl. Apostel Philippus mit Kreuzstab, der hl. Jakobus der Jüngere mit Tuchwalkerstange, beide stehend und nimbiert. Über der Marienkrönung die hl. Ursula, sitzend, gekrönt, mit einem Pfeil in der linken Hand. Unter der Marienkrönung hl. Katharina, sitzend, gekrönt, mit Schwert in der Linken das unten befindliche Rad durchstoßend, ein geöffnetes Buch in der Rechten. In den vier Ecken im Uhrzeigersinn von o.l.: Johannesadler, stehend, mit ausgebreiteten Flügeln. Matthäusengel, kniend, nach oben blickend, nimbiert. Stier, stehend, geflügelt, nimbiert. Löwe, stehend, geflügelt, nimbiert. Die Nimben aus Silber(?)-draht, wohl später ergänzt. Alle Evangelistensymbole mit aufgerollter Schriftrolle mit dem Eintrag des Evangelistennamens.
Stil und Einordnung
Vorderdeckel:
Der Einband gehörte wohl ursprünglich zur Handschrift, da auch dort als einzige Heiligenfeste die zu Philippus und Jakobus eingetragen sind. Einband und Handschrift stammen deshalb ursprünglich wohl aus einer Philippus- und Jakobuskirche bzw. gehörten zu einem Philippus- und Jakobusaltar.
Verwandt sind dem Buchdeckel in Machart und Zeitstellung, vor allem in der Zusammenstellung von auf einer poliertem Silberplatte aufgenagelten Einzelfiguren sowie mit vergleichbaren Evangelistensymbolen (allerdings nicht derselben hohen Qualität wie auf dem Münchner Einband) der Vorderdeckel eines Evangeliars mit Capitulare aus der Benediktinerabtei Seligenstadt, der laut Wappen und Initialen unter Abt Georg (1518–1525) von Seligenstadt gefertigt wurde. Er wird heute in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt unter der Signatur HS-1957 aufbewahrt. Dort findet sich auch ganz ähnlicher Silberdraht, wie er in Clm 10017#Einband für die Nimben von drei der vier Evangelistensymbolen und Philippus und Jakobus Verwendung fand. In der Darmstädter Handschrift rahmt dieser die Evangelistensymbole und den Christuskopf. Siehe zum Einband in Darmstadt: Von der Goldenen Bulle zur Ernst Ludwig Presse (2015), Kat. Nr. 02.1. (mit weiterführender Literatur).
Der Künstler der Silberreliefs verarbeitet neben graphischen Vorlagen vor allem Würzburger und Nürnberger Kunst. So orientiert sich das Haupt des Jakobus d. J. wohl an Vorlagen von Tilman Riemenschneider, die goldene Ohrmuschelfalte zu Füßen der hl. Ursula und auch die weit ausladenden Faltenstränge des Engels erinnern letztendlich an Veit Stoß. Diese Stilismen verweisen, wie die lyrische Gesamtauffassung, auf eine Entstehung in Franken. Gut vergleichbar ist etwa die Bamberger Skulptur. Zu nennen wären hier die Apostelfiguren in der Oberen Pfarrkirche zu Bamberg, aus der Werkstatt des Ulrich Widmann, 1480–82 (Baumgärtel-Fleischmann, Bamberger Plastik von 1470 bis 1520 (1968), 5–354, Abb. 1) oder Ulrich Hubers Hochaltar für die Bamberger Michelskirche, heute St. Getreu in Bamberg (Baumgärtel-Fleischmann, Bamberger Plastik von 1470 bis 1520 (1968), Abb. 4). Auch die Nürnberger Plastik um Veit Stoß war stilbildend. Der Silbereinband wird am ganz am Ende des 15. Jahrhunderts bzw. in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jh. entstanden sein.
Rückdeckel:
Dunkles Leder auf Holzdeckeln, 16. Jh.
Provenienz
Aus der 1756 von Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz gegründeten Mannheimer Hofbibliothek 1803/4 an die Münchener Hofbibliothek verbracht.
Literaturhinweise
Baumgärtel-Fleischmann, Bamberger Plastik von 1470 bis 1520 (1968), 5–354.
Remak-Honnef/Hauke, Katalog der lateinischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek", Tomus IV, Seria Nova Pars 1 (1991), 18. Katalogeintrag
Von der Goldenen Bulle zur Ernst Ludwig Presse (2015), Kat. Nr. 02.1.