Tibetischer Buchdeckel (Oberdeckel) zu einer unbekannten Handschrift des bKa’ ’gyur - BSB Cod.tibet. 631

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Übersicht
Signatur Cod.tibet. 631
Maße 265 mm x 705 mm x 35 mm
Datierung 15.-18. Jh.
Ort Nepal
Objekttyp Buchdeckel, asiatisch
Katalogisierungsebene Gesamtaufnahme (item)
Klassifizierung Kategorie:Schnitzkunst
Kategorie Kategorie:Tibetische_Buchdeckel

Beschreibung: Günter Grönbold/Samyo Rode. Bayerische Staatsbibliothek, 1991/2016.


Tibetischer Buchdeckel (Oberdeckel) zu einer unbekannten Handschrift des bKa’ ’gyur, Abt. nyi khri, Bd. nga [=Bd. 4]. Der Buchdeckel ist an der Außenseite mit Schnitzwerk verziert und war ursprünglich vergoldet. Die Innenseite wurde nachträglich – vermutlich im 20. Jh. – bemalt.

Informationen zum Trägerband

Der Buchdeckel gehört zu einer unbekannten Handschrift des bKa’ ’gyur, Abt. nyi khri, Bd. nga [=Bd. 4]


Entstehung

Der Buchdeckel wurde einem unbekannten tibetischen Künstler gefertigt. Der Deckel wurde von Selig Brown (Protecting wisdom (2012), Nr. 34) ins 15. Jh./16. Jh. datiert und von Grönbold ins 17. Jh./18. Jh. Untersuchungen im IBR der BSB haben ergeben, dass die Malerei auf der Innenseite des Deckels aus dem 20. Jh. (ca.) stammt.


Maße

Oberdeckel:

265 mm x 705 mm x 35 mm


Außenseite (Zierseite):

Mittelfeld:

127 mm x 563 mm


Mittelfeldbegrenzung:

23 mm breit


Rahmen:

45-49 mm breit


Material und Technik

Buchdeckel aus Holz. Die Außenseite geschnitzt und ursprünglich vergoldet die Innenseite nachträglich bemalt.


Zu den Ergebnissen der materialwissenschaftlichen und kunsttechnologischen Untersuchungen durch das Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung (IBR).


Beschreibung des Äußeren

Außenseite (Zierseite):

Mittelfeld:

Das Mittelfeld wird durch drei größere figürliche Darstellungen in architektonischem Rahmen in zentralsymmetrischer Anordnung gegliedert. Den Raum zwischen den Figuren füllen Rankenvoluten und kleinere Darstellungen sitzender Figuren und Tiere.


Mittelfeldbegrenzung:

Das Mittelfeld wird gerahmt von einem schmalen Steg mit stilisiertem Blätterrand, es folgt ein Perlstab zwischen zwei glatten Stegen.


Rahmen:

Den Rahmen bilden zwei Lotusblätterfriese, die von einer mittigen Symmetrieachse je Seite schräg nach außen geneigte Blätter zeigen. Der innere ist etwas schmaler und besteht aus relativ breiten Blättern. Im äußeren Fries mit schmaleren und zahlreicheren Blättern wird die Symmetrieachse je durch eine Lotusknospe dekoriert. Ein weiterer schmaler glatter Steg schließt die Außenseite des Deckels ab.


Innenseite (Zierseite):

Die Dekoration der Innenseite ist zentralsymmetrisch um ein mittig angeordnetes, kreisrundes Ornament mit floraler und figürlicher Dekoration angeordnet. Rechts und links des zentralen Medaillons sind je drei weitere Figuren zu sehen, wobei in der oberen Reihe je zwei, in der unteren je eine Gestalt abgebildet ist.


Inschriften/herstellungsbezogene Marken und Zeichen

Auf Schmalseite 1 ist Nga [= Bd. 4], Nyi khri [= Abt. im bKa’ ’gyur] eingeschnitzt.


Überarbeitungsstadien

Die Innenseite wurde nachträglich mit Malerei dekoriert. Dass diese nicht ursprünglich zum Buchdeckel gehörte, zeigen das für die Prajñāpāramitā-Literatur untypische Thema sowie die Farbanalyse des Instituts für Bestandserhaltung und Restaurierung der Bayerischen Staatsbibliothek.


Zustandsberichte

Die ehemalige Vergoldung der Außenseite sowie der vier Schmalseiten ist fast ganz abgerieben. Lediglich anhand der übrig gebliebenen Vergoldung auf der linken Hälfte des Mittelfeldes lässt sich die ursprüngliche Gestaltung erahnen. Den Tieren zwischen den wirbelartigen Ranken fehlen teilweise die Köpfe (zwischen Buddha und Avalokiteśvara), einem Tier die Beine (rechts neben Avalokiteśvara). Der Rüssel des Ungeheuers auf dem linken Querbalken des Buddha-Throns ist abgebrochen. Zwischen Prajñāpāramitā und Buddha in der Mitte sind zwei Wirbel des Rankenwerks beschädigt.

Die Malerei auf der Innenseite ist nur an den vier Rändern des Deckels und etwas an einer Stelle rechts neben Buddha Śākyamuni abgerieben, ansonsten gut erhalten. An einer Stelle im Maṇḍala wurde mit roter Farbe ausgebessert (vgl. Abb. in Grönbold, Tibetische Buchdeckel (1991), 107).


Ikonographie

Außenseite (Zierseite):

Mittelfeld:

Als Zentralfigur des Mittelfelds ist Buddha Śākyamuni dargestellt, zu seiner Rechten befindet sich die Göttin Prajñāpāramitā, links von ihm der Bodhisattva Avalokiteśvara in seiner vierarmigen Form. Alle drei sitzen auf Löwenthronen, wobei die beiden Löwen unter Śākyamuni nach vorne blicken, das Löwenpaar unter Prajñāpāramitā mit seinen Köpfen nach außen, das Löwenpaar unter Avalokiteśvara mit seinen Köpfen zur Thronmitte gewandt ist. Unter allen drei Thronen sind verschiedene Blüten zu sehen; der Thron des Buddha wird zusätzlich von zwei Yakṣa-Atlanten getragen.

Im Thronaufbau hat Buddha jeweils links und rechts neben sich symmetrisch angeordnet: ein halbgöttliches Wesen mit Vogelkörper (skt. kinnara), das eine Gans umarmt, darüber ein gehörnter Löwe (skt. vyāla) mit Reiter, auf dem Thronbalken ein mythisches Seeungeheuer (skt. makara) mit rotem Maul. Ganz oben im Thronbogen (skt. toraṇa) ist ein mythisches Vogelwesen (skt. garuḍa) mit zwei Schlangenwesen (skt. nāga) unter sich. Buddha führt mit seiner rechten Hand die Geste der Erdberührung (skt. bhūmisparśa-mudrā) aus, mit seiner linken Hand die Geste der Meditation (skt. dhyāna-mudrā).

Die Göttin Prajñāpāramitā macht mit ihren Händen die Geste des Dharma-Rades (skt. dharmacakra-mudrā), gleichzeitig hält sie in ihrer rechten Hand einen geöffneten, in ihrer linken einen geschlossenen Lotus. Auf dem Thron rechts und links neben ihr steht je eine Vase mit Blume, auf deren Blüte sich ein halbgöttliches Wesen mit Vogelkörper befindet. Im Bogen des Throns schwebt über der Gottheit ein Vogelwesen mit zwei Schlangenwesen.

Avalokiteśvara hält die Handflächen seiner Haupthände vor der Brust zusammen (Geste der Anbetung, skt. namaskāra-mudrā), die beiden anderen halten jeweils eine Blüte hoch. Neben ihm auf dem Thron steht rechts und links je eine Vase mit Blüte, darüber eine Gans. Im Thronbogen befindet sich der Kopf eines Vogelwesens, der Ranken im Maul hat und diese mit seinen Klauen festhält. Der Hintergrund des Mittelfelds besteht aus reichem plastisch geschnitztem Rankenwerk, das einzelne flammenähnliche Wirbel bildet. Zwischen den Thronen und an den Rändern des Mittelfelds sitzen jeweils zwei Buddhas übereinander auf einem Lotusthron vor unterteilter Mandorla; zwei davon haben zusätzlich einen Nimbus. Ferner sind verschiedene Tiere zu sehen.


Innenseite (Zierseite):

Vor einem roten Hintergrund, auf den mit dunklerer roter Farbe Wolken sowie am unteren linken und rechten Rand Juwelen aufgemalt sind, ist in der Mitte ein Maṇḍala zu sehen, das die gesamte Höhe des Deckels einnimmt. Rechts und links davon sitzt jeweils eine Gruppe aus drei Buddhas auf Lotusblüten über Wolken. Das Maṇḍala ist das des Amitābha, der in der Mitte in einem grünen Kreis sitzend dargestellt ist. Er hat eine rote Körperfarbe und hält in Meditationsgeste eine Vase in den Händen. Er trägt in dieser Darstellung Bodhisattva-Schmuck und hat vor sich Juwelen liegen. Von seinem Körper gehen goldene Strahlen aus. Um diesen Kreis herum befindet sich ein weiterer Kreis, der aus auch doppelten blauen Blättern eines aufgeschlagenen Lotus besteht; dieser ist seinerseits von einem Maṇḍala-Palast umgeben, vor dessen Toren Schirme und Banner zu erkennen sind. Nach außen folgen nun noch ein Kreis aus doppelten Lotusblättern, die in verschiedenen Farben ausgemalt sind, ein schmaler Rand mit Vajras und ein abschließender Flammenkranz, der in verschiedenfarbige Segmente unterteilt ist.

Bei den Buddhagestalten handelt es sich auf der linken Seite (oben links beginnend im Urzeigersinn) um den grünen Amoghasiddhi, der seine Hände in der Geste der Gewährung der Furchtlosigkeit hält, den weißen Vairocana mit der Geste des Dharma-Rades und den gelben Śākyamuni, der die Geste der Erdberührung ausführt und mit der linken Hand eine Almosenschale hält. Auf der rechten Seite handelt es sich um den weißen (!) Ratnasambhava, der die Geste des Gebens des Besten ausführt, den blauen Akṣobhya mit der Geste der Erdberührung sowie den roten Amitābha, der in Meditationsgeste eine Almosenschale hält. Alle Buddhas haben einen grünen Nimbus und eine dunkle Aureole. Die Mandorla der vier oberen ist in einem gelblichen Farbton ausgeführt, die der beiden unteren rosa. Alle tragen Mönchsgewänder, die bei Amitābha beide Schultern bedeckt, bei den übrigen bleibt die rechte Schulter frei.


Schmalseite 1:

An der linken Stirnseite des Deckels ist in der Mitte ein Ruhmesantlitz zu sehen, von dessen Maul aus Ranken nach links und rechts gehen. Seine Augen sind rot gefasst, sonst war ursprünglich alles vergoldet. In der linken Ecke steht der Buchstabe ‚Ṅa‘ [= Band 4], in der rechten Ecke steht ‚Ñi khri‘, das ist eine Abteilung der Prajñāpāramitā-Literatur im Kanjur.


Stil und Einordnung

Aufbau und Schnitzwerk lassen die klassische Phase der Deckelgestaltung erkennen, die etwa im 15. Jahrhundert beginnt. Buddhas und Gottheiten sind nach nepalesischem Vorbild mit breiteren Gesichtern und Körpern dargestellt; auch die Gestaltung der Thronhintergründe und Rahmenmotive zeigt nepalesischen Einfluss (vgl. hierzu Selig Brown, Protecting wisdom (2012), Nr. 34).


Provenienz

Gekauft von Lothar Heubel (München).


Literaturhinweise

Grönbold, Tibetische Buchdeckel (1991), 106f.

Selig Brown, Protecting wisdom (2012), Nr. 34.


Empfohlene Zitierweise

Günter Grönbold/Samyo Rode. Tibetischer Buchdeckel (Oberdeckel) zu einer unbekannten Handschrift des bKa’ ’gyur - BSB Cod.tibet. 631. Bayerische Staatsbibliothek, 1991/2016.

URL: https://einbaende.digitale-sammlungen.de/Prachteinbaende/Cod.tibet._631_Hauptaufnahme, aufgerufen am 29.03.2024