Ergebnisse der materialwissenschaftlichen und kunsttechnologischen Untersuchungen durch das Institut für Bestandserhaltung und Restaurierung (IBR)

Aus Prachteinbände
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Zur Beschreibung des Oberdeckels Cod.sancr. 423 Buchdeckel 1

Zur Beschreibung des Unterdeckels Cod.sancr. 423 Buchdeckel 2


Die Malerei auf den Innenseiten der Buchdeckel Cod.sancr. 423 wurden zur Identifizierung der verwendeten Farbmittel an ausgewählten Messpunkten untersucht. Für eine zerstörungsfreie und berührungslose Untersuchung der Bemalung wurden Röntgenfluoreszenzanalysen durchgeführt und FTIR-Spektren in externer Reflexion gemessen, um über die elementare und molekulare Zusammensetzung auf die verwendeten Farbmittel schließen zu können.

Ergebnisse

Außen- und Innenseiten der Buchdeckel sind mit einem deutlich vergilbten Überzug bedeckt, beim Unterdeckel in geringerer Schichtstärke. Der Auftrag ist ungleichmäßig und dünn. Stellenweise sind schwarze Verunreinigungen im Überzug gebunden. Durch die Vergilbung kommt es zu einer Farbverschiebung, die beispielsweise einen grünlichen Einschlag der blauen Farbe verursacht.

An einer Fehlstelle unterhalb der linken Figur des Oberdeckels, an der die Grundierung freiliegt, konnten aussagekräftige Spektren der weißen Schicht gewonnen werden. Die mikroskopische Untersuchung und der Vergleich mit Spektren aus anderen weißen Partien zeigen, dass es sich um die gleiche Schicht handelt. Die FTIR-Spektren weisen auf das Vorhandensein von Tonmineralien und Carbonaten hin. Um welche Carbonate es sich handelt, konnte nicht abschließend geklärt werden. Obwohl das FTIR-Spektrum stark dem von Calcit (Calciumcarbonat) gleicht, liegen die Maxima bei höheren Wellenzahlen, was für Dolomit (Calcium-Magnesiumcarbonat) sprechen könnte. Die stärksten Signale der RFA sind Silicium, Calcium und Eisen, was für eine natürliche Mineralienmischung spricht. Mikroskopisch lässt sich keine Einfärbung der Farbschicht mit Eisenoxiden feststellen, es handelt sich vermutlich um natürliche, eisenhaltige Begleitmineralien. Auch das im Spektrum in geringen Intensitäten vertretene Titan kann auf natürliches Titandioxid im Gemenge zurückgeführt werden. Eine Beimischung von synthetischem Titandioxid (Titanweiß) scheint aufgrund der geringen Intensität der Titan-Linien als unwahrscheinlich. Das enthaltene Quecksilber kann den angrenzenden roten Bereichen aus Zinnober (Quecksilbersulfid) zugeordnet werden.

Schwarz wurde hauptsächlich für Details und die schwarzen Haare der Gottheiten verwendet. Im Vergleich zur Grundierung wurde mittels RFA ein höherer Calciumgehalt und zusätzlich Phosphor ermittelt. Dies deutet auf Knochenschwarz hin, das neben Kohlenstoff auch Calciumphosphatmineralien enthält.

Auf den Buchdeckeln finden sich verschiedene Rottöne: Ein helles, leuchtendes Rot, das an den Kontur- und Binnenzeichnungen und den Beinkleidern der Figuren verwendet wurde. Das gleiche Pigment scheint auch als Untermalung bei Rahmen und Außenseiten vorzuliegen. Die Nimben sind mit einer roten, eher blaustichigen Lasur über der weißen Grundierung ausgeführt. Diese Lasur liegt offenbar auch an den Rahmen und Außenseiten, über dem hellen Rotton der Untermalung vor. Die RFA zeigt, dass bei Rahmen und Außenseiten Zinnober als Pigment verwendet wurde. Neben Quecksilber und Schwefel sind Eisen, Silicium und Calcium in geringeren Mengen vorhanden. Diese werden der Grundierung zugeordnet. Rahmen und Außenseiten scheinen zweischichtig aufgebaut. Vermutlich liegt hier eine organische Farbstoffschicht vor, die sich im RFA-Spektrum nicht abzeichnet.

Für die orangen Auren einiger Figuren und die Flammen des Vajrapāṇi (Unterdeckel, rechte Gestalt) wurde Mennige verwendet. Das RFA-Spektrum zeigt Blei und Kupfer, wobei letzteres dem benachbarten Blau zuzuordnen ist. Zusätzlich ist Quecksilber nachweisbar, das aber aus angrenzenden Zinnober-Schichten stammen muss.

An den Deckeln sind zwei verschiedene Grüntöne und ein Blauton zu finden. Alle Figuren mit Ausnahme des Vajrapāṇi sitzen auf Grasflächen, für die jeweils das gleiche helle Grün verwendet wurde. Auch die grünen Tücher und die Blätter in den oberen Hälften der Hintergründe sind mit dieser Farbe gemalt. Der zweite, dunklere Grünton kommt nur im Nimbus der linken Gottheit auf dem Unterdeckel zur Anwendung. Der Himmel hinter den Blumen der Figurenhintergründe, die Aureolen der mittleren Gottheiten und das Inkarnat des Vajrapāṇi sind mit dem gleichen Blau gemalt. An Fehlstellen, an denen die Malschicht berieben ist, wirken die Farben deutlich heller. Ob die dunklere Wirkung allein durch den vergilbten Überzug bedingt ist oder weitere Modellierungen mit Lasuren erfolgten, konnte nicht geklärt werden. Untersucht wurden das helle Grün der Grasflächen, das Blau aus dem Inkarnat des Vajrapāṇi und das dunkle Grün aus dem Nimbus der linken Gestalt des Unterdeckels. Bei einer Untersuchung unter UV-Anregung zeigte sich, dass bei den grünen und blauen Farben wohl Kupferpigmente Verwendung fanden. Die entsprechenden Bereiche absorbieren die UV-Strahlung stark und erscheinen dann schwarz. Das Grün scheint erst weniger präzise vorgelegt und dann durch die anderen Farben wieder überdeckt worden zu sein, da die Absorption über die sichtbaren Grenzen des Farbauftrags hinaus reicht. Die RFA unterstützt den Befund auf Kupferpigmente. Aufgrund des geringen Chlorgehalts kann nicht von einem Kupferchlorid-Pigment ausgegangen werden. Die FTIR-Spektren zeigen weniger Übereinstimmungen mit Malachit als mit Brochantit, ebenfalls ein grünes Mineral auf Kupferbasis. Das FTIR-Spektrum der blauen Farbe zeigt hohe Übereinstimmung mit Azurit-Referenzen. Die mikroskopische Untersuchung der dunkelgrünen Farbe zeigt einen zweischichtigen Aufbau. Eine blaue Schicht, die in beriebenen Stellen ähnlich erscheint wie das Blau der anderen Bereiche, liegt unter einer transparenten gelben Farbschicht. Die blaue Schicht kann als Azurit identifiziert werden.

Das Gold wurde als Pudergold aufgetragen. In der Nähe der feinen vergoldeten Linien befindet sich viel Goldstaub, der abgerieben und über die Bildfläche verteilt wurde. Die RFA-Messung zeigt neben dem Gold auch Arsen und Quecksilber. Das Quecksilber stammt sehr wahrscheinlich aus dem, Herstellungsprozess des Goldstaubes, Arsen zeigt ein Strecken des Goldes mit Auripigment an.

Weitere Details zu den Untersuchungen können dem Analysenreport im Downloadbereich entnommen werden.

Methoden und Messdaten

Die Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) wendet die Technik der Fluoreszenzspektroskopie auf Röntgenstrahlung an, die Materialprobe wird dabei durch Röntgenstrahlung angeregt. Als Resultat der Anregung wird freiwerdende Energie in Form von elementspezifischer Fluoreszenzstrahlung abgegeben. Diese Fluoreszenzstrahlung kann von einem Strahlungsdetektor ausgewertet werden und ermöglicht so eine Identifizierung und Konzentrationsbestimmung aller chemischen Elemente etwa ab dem Element Magnesium in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen. Besonders leistungsfähig ist der Nachweis von Elementen, die eine hohe Ordnungszahl haben, wie beispielsweise Quecksilber oder Blei.

Die Infrarotspektroskopie, heute üblicherweise Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie (FTIR-Spektroskopie), ist ein spektroskopisches Analyseverfahren, das mit infraroter Strahlung arbeitet und auf der Anregung von Energiezuständen in Molekülen beruht. Die FTIR-Spektroskopie wird zur Strukturaufklärung unbekannter Substanzen genutzt, da die Methode Schwingungsinformationen von Atomen bzw. Atomgruppen an ihren Molekülbindungen im mittleren Infrarotbereich (MIR; Wellenzahl: 4000 – 400 reziproke Zentimeter) liefert. FTIR-Spektren werden dahingehend interpretiert, dass man aus den Banden des gemessenen FTIR-Spektrums die Molekülgestalt herauszufinden versucht. Die zerstörungsfreie und berührungslose Technik der externen Reflexion eignet sich grundsätzlich für die Messung an bemalten Oberflächen. Hauptnachteil der Methode ist, dass sich die Reflexionsspektren stark von Transmissionsspektren unterscheiden. Die Spektren zeigen aufgrund geänderter Reflektivität durch die Abhängigkeit des Brechungsindexes von der Wellenlänge ableitungsähnliche bzw. verzerrte Bandenformen. Auch die unterschiedliche Reflexion von den glatten oder rauen Oberflächen der bemalten Oberflächen führt zur ungleichen Verteilung der Strahlenanteile, die einen direkten Vergleich mit Spektren anderer FTIR-Techniken nur sehr eingeschränkt zulassen.

Der Analysenreport im PDF-Format enthält aufgeschlüsselt nach den beiden Methoden die Kartierung der Messpunkte, die apparativen Details, Messparameter sowie die Abbildungen aller gemessenen Spektren. Zusätzlich stehen die unbearbeiteten Messdaten vollständig im Downloadbereich als Zip-Container zur Verfügung. Die RFA-Daten sind einmal im proprietären Format des Niton™ XL3t GOLDD+ RFA-Analysators sowie als kommaseparierte Tabelle hinterlegt. Die FTIR-Spektren stehen im JCAMP-DX-Format zur Verfügung, das auch alle Messparameter enthält.

JCAMP-DX (Joint Committee on Atomic and Molecular Physical data – Data eXchange) ist ein elektronischer Datenstandard für die langfristige Speicherung und Übertragung von chemometrischen Informationen. Der Standard ist die Entwicklung der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC). Es handelt sich um ein von Menschen lesbares Dateiformat, das spektroskopische Daten sowie zugehörige chemische und physikalische Informationen speichert. Das Datenformat kann entweder über einen Texteditor oder über gängige Programme zur Spektrenbearbeitung geöffnet und genutzt werden.

Download

Cod.sanscr. 423 Analysis Report.pdf

Cod.sanscr. 423 Messdaten.zip